Kirchspiel Großwaltersdorf (Walterkehmen)


Das Kirchspiel besteht seit 1607 (so auch in der Aufstellung „Stiftungsjahr der Kirchen in Litthauen“ aus dem 18. Jahrhundert); im Jahre 1717 wurde die Kirche vollendet. 1914 wurde die Kirche zerstört und 1925/26 wieder aufgebaut. Die Kirche besaß eine Glocke.

Es amtierten hier folgende Pfarrer:

Cleber, Christoph ab 1608. Fabricius, Christoph 1612—1638. Pfeffer, Jacob ab 1644. Schwabe, Melchior 1650—1663. Ditzel, Ernst 1664—1692. Petri, George 1683—1688 als Adjunkt. Perkuhn, Jacob 1690—1692 als Adjunkt und 1692—1707. Feiff, Alexander 1707—1708. Ruhig, Philipp 1708—1749. Kämpfer, Johann Hein¬rich 1747—1749 als Adjunkt und 1749—1779. Jordan, Joh. Gottfried 1779—1822. Zippel, Johann Gottfried 1810—1811 als Adjunkt. Wegener, Georg Gottl. Wilh. 1822—1863. Zippel, Wilhelm Justus 1856—1863 als Adjunkt und 1863—1888. Blas-kowitz, Hans Ad. Friedr. 1888—1906. Korn, Otto 1906—1916. Hoffmann, Paul 1916—1945. Im Jahre 1906 Kolbe, Paulus als Hilfsprediger.


UMFANG DES KIRCHSPIELS

Nach übereinstimmenden Angaben bestand das Kirchspiel Groß Waltersdorf (Walterkehmen) seit 1607. Der Bau der ersten Kirche wurde im Jahre 1717 vollendet und der erste Pfarrer ab 1608 hieß Christoph Cleber. Welche Dörfer und Ortschaften damals zum Kirchspielbezirk gehörten, konnte nicht exakt festgestellt werden. Es wird aber vermutet, dass sich die Grenzen des Bezirks nicht wesentlich verändert haben. Vor dem Zweiten Weltkrieg und auch zum Zeitpunkt der Flucht und Vertreibung gehörten zum Kirchspielbezirk Groß Waltersdorf (Walterkehmen) folgenden Gemeinden:

1.    Austfelde (Austinlauken)
2.    Birkenhöhe (Schmulken)
3.    Brauersdorf (Karklienen)
4.    Brückental (Samelucken)
5.    Erlengrund (Alt-Maygunischken,Neu-Maygunischken)
6.    Girnen
7.    Groß Waltersdorf (Walterkehmen)
8.    Heinsort (Sodehnen)
9.    Hoheneck (Pillkallen)
10.  Jägershagen (Ribbinnen) ohne Ort und Domäne Grünweiden (Grünweitschen)
11.  Jürgendorf (Jogelehnen)
12.  Laurinshof (Warschlegen)
13.  Matzhausen (Matzutkehmen)
14.  Peterstal (Schestocken)
15.  Pfälzerort (Drutischken)
16.  Pfälzerwalde (Budszedszen)
17.  Praßfeld (Praßlauken)
18.  Röden (Rödszen)
19.  Schulzenwalde (Buylien)
20.  Schwarzenau (Jodszen)
21.  Schweizerau (Schwiegseln)
22.  Sprindort (Szurgupchen)
23.  Tellrode (Groß-Tellitzkehmen)



KIRCHLICHES LEBEN IM KIRCHSPIEL

Als im 17. Jahrhundert das Kirchspiel Groß Waltersdorf (Walterkehmen) entstand, bedeutete die Kirche für die Bewohner ein Mittelpunkt ihres Lebens und eine Zufluchtstätte in vielen Nöten und Bedrängnissen. Da die Standesämter erst rund 300 Jahre später eingerichtet wurden, konnten Ehen damals nur durch kirchliche Trauung geschlossen werden. Geburten und Todesfälle gehörten in den Bereich des kirchlichen Lebens und wurden vom Pfarrer in kirchliche Register eingetragen.

Der Geistliche bezog in jenen Jahrhunderten nur ein geringes Gehalt. Er musste seine Familie vor allem durch den Ertrag des Pfarrlandes ernähren. Später wurde die Beschäftigung mit Ackerbau und Viehzucht aufgegeben.
Über vielfältige Vorgänge im kirchlichen Bereich der Kirchengemeinde Groß Waltersdorf (Walterkehmen), angefangen von der Zeit der Gründung im 17. Jahrhundert bis zu der Amtszeit des letzten Pfarrers Paul Hoffmann, wird im II. Teil dieser Schrift im Gemeindebericht Groß Waltersdorf (Walterkehmen) berichtet.
Wenn über das kirchliche Leben in der Kirchengemeinde Groß Waltersdorf (Walterkehmen) in den letzten Jahrzehnten vor der Flucht und Vertreibung berichtet wird, kann hier nicht unerwähnt bleiben, dass der Kirchenkreis Gumbinnen von dem hochverdienten Superintendenten Conrad Klatt geleitet wurde, der den Superintendenten Lic. Gemmel abgelöst hatte. Die Superintendenten haben sich zu jeder Zeit intensiv um das Leben in den einzelnen Kirchengemeinden gekümmert, was besonders bei den in Abständen durchgeführten Visitationen deutlich wurde. Sie waren daher bei allen Angehörigen der Kirchengemeinde Groß Waltersdorf (Walterkehmen.), die am kirchlichen Leben teilnahmen, sehr bekannt und hoch geachtet.
Der Gemeindepfarrer in Groß Waltersdorf (Walterkehmen), der rund 4.000 Gemeindeangehörige in 23 zum Teil weit auseinanderliegenden Dörfern betreuen musste, hatte ein Übermaß an Aufgaben und Arbeiten zu bewältigen. Da sind in erster Linie die Abhaltung der sonntäglichen Gottesdienste und die Amtshandlungen (Taufen, Trauungen, Beerdigungen) zu nennen. Es war damals üblich, dass die Trauerfeiern in den Trauerhäusern und die Beerdigungen anschließend auf den örtlichen Friedhöfen stattfanden. Dies bedeutete für den Gemeindepfarrer einen erheblichen Zeitaufwand. Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Gemeindepfarrer nicht selten auch Hausbesuche machte, wenn alte oder sehr schwer erkrankte Menschen das Abendmahl verlangten oder wenn Taufen in den Häusern gewünscht wurden. Die Unterrichtung der Konfirmanden beider Jahrgänge nahm den Pfarrer an zwei Tagen in der Woche jeweils mehrere Stunden in Anspruch. Einzelne Gruppen (zum Beispiel Jugendliche) leitete der Gemeindepfarrer persönlich. Er tat dies mit besonderer Einsatzfreudigkeit. Daneben gehörte es zu den Aufgaben des Gemeindepfarrers, in gemeinsamen Beratungen mit den Gremien der Kirchenältesten und der Kirchenvertreter die Verwaltung der Kirchengemeinde mit ihrem Vermögen verantwortlich zu leiten. Eine Bürokraft stand dem Pfarrer für die Erledigung der schriftlichen Arbeiten nicht zur Verfügung. Die Kirche war an besonderen kirchlichen Feiertagen überfüllt, während der Gottesdienstbesuch an gewöhnlichen Sonntagen mitunter zu wünschen übrig ließ. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Gemeindeangehörigen vieler Gemeinden bis zu ihrem Gotteshaus einen weiten Weg zurückzulegen hatten und dass besonders im Winterhalbjahr ungünstige Wegeverhältnisse erschwerend hinzukamen. Wenn auch bei vielen Gemeindeangehörigen keine aktive Teilnahme am kirchlichen Leben erkennbar war, so gab es aber eine breite positive Einstellung zur Kirche mit allen ihren Einrichtungen.
In einigen Gemeinden des Kirchspielbezirks waren christliche Gemeinschaften mit verschiedenen Bezeichnungen tätig, die von Laienpredigern veranstaltete Andachten und Versammlungen in Privathäusern anboten. Diese Veranstaltungen waren in der Regel gut besucht und trugen zur Vielfalt des religiösen Lebens bei.


Nachfolgend zu sehen: Die Notkirche, die aufgrund der Zerstörung der Kirche im 1. Weltkrieg errichtet worden ist.