Herzogskirch


Übersicht – Quelle: Gumbinnen von Dr. Grenz

Herzogskirch

(Niebudszen): Kirchspiel Herzogskirch (Niebudszen). Amtsbezirk und Standesamtsbezirk Herzogskirch (Niebudszen). — E.: 291. GH.: 780 RM. G: 613 ha. —

Pfarrer: 1925 Paul Köhler, 1937: Pfarrer Timm. Gemeindeschwester Amalie Nurna. —
Zweiklassige Volksschule, erbaut vor 1914. Die in der LZ vom 26. 11. 1897 ausgeschriebene Kirchschullehrer und Organistenstelle wurde mit 1326 Mark dotiert (Jahresgehalt) und mit Wohnung im Wert von 170 Mark. Meldung war zu richten an den Generalbevollmächtigten der Emil Reuterschen Familienstiftung, Justizrat Preuß in Königsberg. 1899/1900 amtierte Präzentor Steiner in Niebudszen (lt. Verw.-Ber. 1899/ 1900). 1925: Präzentor Karl Beyrau, Präzentor a. D. August Plickert, Lehrer Ulrich Laatsch, 1937: Lehrer Walter Matthee, Lehrer und Präzentor Helmut Ritter. —
1937: Bürgermeister Bauer Franz Barkowski. —
Post: Brakupönen üb. Gumbinnen (11 km). —
Landwirte: Franz Barkowski, August Britt, Franz Elstereit, Land- und Gastwirt Eduard Eske, Landwirtssohn Heinz Eske, Werner Knapke, Gustav Kurrat, Franz Lamprecht, Karl Pallenschat, Friedrich Rakutt, Fritz Rieck, Auguste Rohrmoser, Hieronymus Sachs, Fritz Schneider, Karl Schneppat, Walter Siering, Hermann Wallat, Gustav Ziehe. —
Besitzer: Otto Fröse, Friedrich Höfert, Gutsbesitzerin Berta Knappke, August Ludwig. —
Bauern: Ernst Fröse (Jungbauer), Otto Lengtat (Bauernsohn), Franz Riemke, Lina Schirma (Bauernfrau), Otto Schirmer (Bauernsohn), Walter Schneider, Fritz Torkler (Bauernsohn), Heinz Wallat (Bauernsohn). —
Handwerker: Fleischer Otto Alex, Schlosser Herbert Barsuhn, Bäckermeister Franz Behrendorf, Schmiedemeister Artur Berg, Schneider Johannes Bergner, Dreher Franz Erlach, Klempnermeister Otto Esch, Schuhmacher und Landwirt Gustav Kamutzki, Maurer Johann Kerschat, Schneider Karl Kilian, Sattler Franz Klein, Maurer Franz Neumann, Stellmachermeister Albert Schneppat, Zimmergeselle Franz Schröder. —
Weitere Berufe: Hebamme Anna Baumgart, Gastwirt Willi Berg, Kammerarbeiter Otto Danneberg, Land- und Gastwirt Eduard Eske, Land- und Gastwirt Karl Girod, Freiarbeiter Gustav Mallee, Freiarbeiter Otto Muschinski, Freiarbeiter Franz Petz, Kaufmann Kurt Pilz, Kaufmann Richard Schirmer, Freiarbeiter Walter Schmidt, Hausgehilfin Minna Sziedat, Mühlenpächter Hermann Wagner, Gendarmerie-Meister Adolf Wippich, Freiarbeiter Franz Zeiß, Kraftfahrer Paul Ziehe. —
Weitere landwirtschaftliche Berufe: Deputant Franz Asmus, Deputant Friedrich Buchholz, Deputant Rudolf Hoffmann, Deputant Hermann Laupichler, Deputant Gustav Panke, Deputant Friedrich Pusch, Melkermeister Johann Riege, Deputant Friedrich Torkler, Kutscher Johann Torkler. —
Arbeiter: Leopold Heinrich, Franz Hölzel, Fritz Ligat, Minna Müller, Karoline Rakowski, Franz Schröder, Gustav Zeis. —
Sozialstatus: 3 Altsitzer, 4 Altsitzerinnen, 3 Rentenempfänger, 2 Witwen, 1 Kleinrentner, 2 Kriegsbeschädigte, 1 Rentier. —
1925: 1 Oberlandjäger Gustav Dreher, 1 Gutsbesitzer Walter Knapke, 20 Besitzer, 1 Mühlenbesitzer, 1 Schuhmacher, 1 Schmied, 2 Schneider, 1 Musiker, 1 Hebamme (Auguste Schwoy), 1 Diakonisse (Therese Pürsch), 1 Schneiderin, 1 Sattler, 1 Meiereibesitzer (Karl Wildt), 3 Gastwirte, 1 Oberkellner, 1 Klempner, 1 Kaufmann, 3 Tischler, 1 Melker, 1 Stellmacher, 2 Maurer, 1 Zimmermann. —
Im Archiv der Kreisgemeinschaft Gumbinnen befinden sich Angaben zur Ortsgeschichte von Karl Beyrau (Präzentor).
Er schreibt u. a.: In Niebudszen war ich vom 1.6.1913 bis 31.12.1924. Nachfolger von mir waren 1. Ritter, bis etwa 1934, 2. Rohloff, nach Ritter; letzterer wurde in den Kreis Insterburg versetzt, Rohloff war bis zur Vertreibung in Niebudszen im Amt. Außerdem war nach meiner Zeit ein Kollege Mathei längere Zeit als 2. Lehrer tätig. Ob er zum Zeitpunkt der Vertreibung noch da war, weiß ich nicht. (31.7.1956). —
Am 10.8. 1956 berichtet Beyrau weiter: Die Sage von dem spukenden Geist in der Kirche zu Niebudszen ist mir nicht bekannt. Es ist jedoch auch möglich, daß ich sie total vergessen habe, denn es sind immerhin über 30 Jahre her, und ich stehe im 84. Lebensjahr. Als ich 1913 nach Niebudszen kam, hatte die Kirche eine gründliche Renovierung erfahren, auf die der damalige Pfarrer Köhler sehr stolz war. Es ist möglich, daß dabei manche Sachen aus dem Innern der Kirche herausgenommen und auf dem Boden verstaut wurden; denn die Mittelgruppe des Abendmahls habe ich nicht gesehen. Die Kanzel war über dem Altar, beide Anlagen ohne bildhauerische Schnitzereien. Die Kirche, die mehrere Meter starke massive Mauern hatte, besaß früher einen massiven Turm. Davon zeugten noch die Ansatzstellen in der vorderen Kirchenmauer, wo der Turm mit der Mauer verbunden war und die nun mit Zement verstrichen waren. Es war auch schon eine Sammlung für den Bau eines neuen Turmes in die Wege geleitet; doch ist der angesammelte Fond durch die Inflation entwertet worden. Für die eine Glocke war an der einen Seite der Kirche ein Glockenstuhl gebaut; der Glockenstrang hing bis zum Boden herab. Die Orgel war ein Werk des Orgelbauers Sauer aus Frankfurt (Oder), hatte zwar nur 1 Manual, aber sonst schöne weiche Stimmen. Der Patron der Kirche war nicht der preußische Staat, sondern der jeweilige Besitzer des Gutes Rohrfeld, das etwa 12 km entfernt lag. Der Patron hatte ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Pfarrer- und der Präzentorstelle, freilich mußte er auch die Patronatslasten tragen, die nicht unerheblich gewesen sind. Der Patron während meiner Anwesenheit in N. war Herr Koppenhagen, Besitzer des Gutes Rohrfeld. Ich glaube aber, daß später die Patronatsverbindlichkeiten gelöst worden sind. Zur Pfarrstelle gehörten 400 Morgen Kirchenland.
Das Dorf Niebudszen hat seinen Namen von dem Niebudiesgraben, einem kleinen Gewässer, das im Bumbeler See seinen Ursprung hatte und durch viele Wiesen floß, weiter durch die Tzullkinner Forst und mündete in die Inster. Der Name Niebudszen ist zweifellos litauischen Ursprungs, wurden doch in den Kirchen des Kreises bis etwa 1880 noch litauische Gottesdienste gehalten. Die größte Besitzung im Dorfe war die des Herrn Knapke, rund 500 Morgen groß. Zur Besitzung Knapke gehörte auch ein privilegierter Krug. —
Frau Susanne Gramstadt berichtet am 1. 5. 1961 zusätzlich: Die Niebudies kam aus dem Bumbler See und floß durch die „Bedugnis“, was laut Chronik „Auge“ heißen soll, von Osten an Knapkes Garten und Franzens Wiese in großen Bögen nach Westen. Im Frühjahr zur Zeit der Schneeschmelze war die ganze Bedugnis von Bumbeln bis Niebudszen überschwemmt. Mein Elternhaus stand etwa 50 m von der Niebudies entfernt, und wenn das Eis geschmolzen war und das Wasser sich verzogen hatte, kamen als erste die Sumpfdotterblumen zum Vorschein. In der Kirche waren der Patron von Blumenthal (Gut Rohrfeld) und verschiedene Offiziere in einer Gruft beigesetzt. Wir Dorfkinder haben durch ein kleines Fenster immer versucht hineinzuschauen, um etwas  von Helmen und Degen  zu  erkennen. 1910 wurde die Kirche renoviert und die Gruft als Heizungsraum ausgebaut. Die noch vorhandenen Knochen haben die Arbeiter in Körbe gesammelt und hinter der Kirche in einem Grab beigesetzt.
In Niebudszen amtierte der Pfarrer Matthaeus Praetorium ab 1664 (bis 1685), der die „Deliciae Prussicae oder Preußische Schaubühne“ verfaßte, ein Werk von hohem kulturgeschichtlichem Rang, das leider nie gedruckt worden ist. —
In der Broschüre von Pfarrer Gotthilf Krause aus Niebudszen über die Kirchengeschichte von Niebudszen (vom Jahre 1832) findet sich auch ein Absatz über die Schulgeschichte des Ortes. Im Jahre 1939 notierte daraus Max Alfred Stich (heute in 5 Köln 80, Rungestraße 42): „Damals war der Schuldienst sehr eng mit dem Kirchendienst verbunden. Deshalb sei noch etwas über das Schulwesen im Kirchspiel Niebudszen gesagt. Es bestanden 7 Schulen. Die Kirchschule Niebudszen selbst dürfte so alt sein, wie die Kirche selbst (1615). 1621 wurde ein neues Schulgebäude erbaut. Weitere Neubauten folgten 1744 und 1780. Zu Lebzeiten von Pfarrer Krause (also um 1832!) zählte die Schule Niebudszen mit 4 Ortschaften insgesamt 130 Schüler. Im Jahre 1830 wurde eine zweite Klasse mit einem weiteren Lehrer gestiftet; sie mußte aber wieder geschlossen werden, weil die Schulsozietät nichts zur Unterhaltung beitragen wollte. Die Schullehrer (Kirchschullehrer) sind zum Teil aus den alten Kirchenrechnungen zu ermitteln. Bis 1645 ist an einen Schullehrer Gehalt gezahlt worden, dessen Name nirgends erwähnt wird. Ab 1645 war Schullehrer Christoph Hallmann, ab 1648 versah der Pfarr-Adjunkt Stabbert den Schuldienst bis 1652. Es folgte ein Lehrer Perner, 1654 war ein Schullehrer Hans Preussen im Ort. Ihm folgte 1655 um Weihnachten der Schulmeister Friedrich Dedekindt. Er erhielt im Jahre 1696 den Studiosus Samuel Sittmann zum Adjunkt, der aber schon früh (1704) starb. Ihm folgte der Stud. Jacob Kalsen, der bis zum Tode Dedekindts 1711 Adjunkt war. In den Jahren 1712—1717 versah ein Stud. Joh. Friedr. Passow das Amt des Lehrers. Aus einer Rechnung von 1719 geht hervor, daß ein Präcentor Nagel in Niebudszen zwischen 1717—1720 Lehrer war. 1720 wird dann Präcentor Stud. Christoph Krüger genannt, 1734—1762 folgt ihm Stud. Carl Benjamin Strauss. In den Jahren 1762—1777 wird ein Lehrer Wermke erwähnt. Nach  1777—1815 führte die Lehrerstelle Präcentor Stud. Ernst Friedr. Hahn. Der Kandidat Christlieb Krause besetzte von 1816—18 die Lehrerstelle. Weiter wird 1818 ein Präcentor Johann Rackowsky erwähnt. Die Jahreszahlen weisen auf die Amtszeiten hin. Zum Teil wurden die Lehrer nach kurzer Dienstzeit an andere Kirchspiele versetzt. Zum Kirchenspiel Niebudszen gehören außer der Schule Niebudszen die Schulen in Brakupönen (gegründet 1737), in Springen (gegründet 1737), in Blecken (gegründet ca. 1633), in Pakallnischken (gegründet 1737), in Rohrfeld (gegründet 1738), in Guddatschen (nach der Pest von 1709/11 errichtet, speziell für eine französische Kolonie).“
In einer Gesamtübersicht „Stiftungsjahr der Kirchen in Litthauen“ (gedruckt im 18. Jhdt.) wird u. a. angegeben: „Nibudschen 1615″. —

In seiner Nachschrift zu seiner Kirchengeschichte sagt Pfarrer Krause 1832: „Der Verfasser dieses Schriftchens hat sich jetzt ein Viertel-Jahrhundert mit dem Lehrgeschäft, fünf Jahre in Schulen und 20 auf der Kanzel und wie er meint, nicht ohne Aufopferung seiner Kräfte, beschäftigt, er hat immer gedacht: streue nur redlich den Samen aus in die Herzen, ob er morgen oder nach Olympiaden aufkeimt, ob du seine Frucht erlebst oder nicht, bleibt gleich, ganz ersticken, ganz verloren gehen kann er nicht und dabei wird er bleiben bis an sein Ende“.