Arbeitsgemeinschaft Ostpreußisch Platt


    Die Sprache der Heimat



    Warum wurde die Arbeitsgemeinschaft „Ostpreußisch Platt“ gegründet?

    Die große Flucht am Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete für fast alle Ostpreußen den Verlust ihrer Heimat. Die Unmöglichkeit der Rückkehr führte u.a. dazu, dass sich durch das sprachliche Umfeld der neuen Wohnstätte die Heimatsprache, das ostpreußische Platt, immer mehr in den Hintergrund drängen ließ. Dass durch die gegebenen Umstände eine solche Sprache mittelfristig in der Realität nicht mehr vorhanden sein würde, führte zu dem Wunsch vieler Ostpreußen, dieser Entwicklung gegen zu steuern.

    Auf Beschluss des Gumbinner Kreistages fand am 2. + 3. November 1985 in Bielefeld eine Arbeitstagung statt, zu der ein kleiner Kreis ausgewählter Kenner unseres heimischen Platt (des ostpreußischen Ostgebietes) eingeladen worden war. Zweck der Tagung war es herauszufinden, auf welche Weise und mit welchen praktischen Methoden unser Platt nicht nur in der allmählich dahinsterbenden Altbevölkerung aus unserer Heimat erhalten, sondern als lebende Sprache an gutwillige Nachfolger weitervermittelt werden könnte.

    Als wissenschaftlicher Berater war auf Einladung der Kreisgemeinschaft Herr Dr. Tolksdorf, Universität Kiel, erschienen, der das „Preußische Wörterbuch“, die zusammenfassende Aufzeichnung der niederpreußischen Mundarten ganz Ostpreußens, als Nachfolger des leider zu früh verstorbenen Professors Dr. Erhard Riemann jetzt weiterbearbeitete. Nach einführenden Worten von Kreisvertreter Goldbeck befasste sich der Arbeitskreis in lebhafter Aussprache mit bestimmten Aufgaben. Dr. Tolksdorf berichtete über sein Institut und die Arbeit am Preußischen Wörterbuch. Er konnte danach anhand von schriftlichen Ausarbeitungen, Tonbändern und Verschriftungen (d. h. schriftlichen Übertragungen) auf Band gesprochener Texte einer ostpreußischen Volkserzählerin interessante Ergebnisse der bisher in seinem Forschungsgebiet geleisteten Arbeit vorstellen. Wertvoll waren seine Hinweise für das methodische Besprechen von Audio-Kassetten, für die erforderlichen schriftlichen Registrierungsmerkmale und die sorgfältige Aufbewahrung.

    Im weiteren Verlauf wurden Versuche angestellt und kritisch besprochen, um zu einer möglichst einfachen, aber einheitlichen allgemein gut lesbaren „Verschriftung“ des Platt zu kommen. In der Aussprache über die Entwicklung eines weiterführenden Arbeitsprogramms für diesen neuen Arbeitskreis wurden von allen Teilnehmern zahlreiche Themen erörtert und niedergelegt. Um Audio-Aufzeichnungen der Nachwelt zu erhalten, sollten diese an das Institut von Dr. Tolksdorf zur Archivierung gesandt werden. Als solche Texte kommen vor allem einfache Berichte z. B. aus dem täglichen Leben auf dem Bauernhof, Landschafts- und Hofbeschreibungen, Erklärung von Flurnamen, Beschreibungen von einfachen häuslichen Arbeiten und ähnliches in Betracht. All dieses dient gleichzeitig der Ortsdokumentation.

    Diese erste „Platt“-Tagung fanden alle Teilnehmer recht interessant und ertragreich, so dass sie beschlossen, die Bemühungen fortzusetzen. Hierzu sollte der Kreis noch etwas erweitert werden, jedoch wollte man ihn nicht übermäßig wachsen lassen, damit jedem Teilnehmer eine aktive Mitarbeit möglich sei. Die Nachbarkreisgemeinschaften aus dem Sprachgebiet unseres „östlichen“ Platt erhielten einen Kurzbericht über diese Tagung.

    Mit den Vertretern der eigenen Kreisgemeinschaft und Vertretern verschiedener Nachbarkreis begann man, praktische Maßnahmen zu erproben, um unserem Platt wieder mehr zur Geltung kommen zu lassen. Erreichen wollten die Initiatoren auch, dass nicht nur die älteren Menschen aus unseren Dörfern in ihren Familien und bei ihren Zusammenkünften ganz bewusst wieder mehr Platt sprechen, sondern auch jüngere Landsleute dafür interessiert werden sollten.

    Auch im Gumbinner Heimatbrief wurden deshalb regelmäßig Beiträge unter der Rubrik „Onser Platt von Tohuus“ veröffentlicht, um immer wieder an die eigene plattdeutsche Sprache zu erinnern und sie zu pflegen.

    Zu den Gründungsmitgliedern gehören:

    Eva Behling – Otto Ellmer – Erich Girod – Dietrich Goldbeck – Fritz Gossing – Grete Grün – Herta Grün – Albrecht Hagen – Gerda Nasner – Herta und Walter Peitschat – Christa und Fritz Raudschus – Fritz Rusch – Roland Skibbe – Dr. Ulrich Tolksdorf.

    Zur Zeit sind Landsleute aus folgenden Kreisen in der Arbeitsgemeinschaft aktiv tätig:

    Kreis Gumbinnen – Kreis Insterburg – Kreis Goldap – Kreis Wehlauf – Kreis Ebenrode Stallupönen – Kreis Pillkallen Schloßberg – Kreis Dahrkemen Angerapp – Kreis Tilsit Ragnit und aus dem Memelland.


    „Ostpeußisch Platt“

    Sprache für die Nachwelt retten

    Die Arbeitstagung im April 2005 stand ganz im Zeichen des 20-jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft.

    Erhalt und Verbreitung der Heimatsprache ist das Ziel der Arbeitsgemeinschaft „Ostpreußisch Platt“, mit Sitz in Bielefeld.

    Am 08. und 09. April 2005 trafen sich die Teilnehmer dort im Brenner-Hotel Diekmann. Die Jubiläumstagung wurde durch ein aufgelockertes Programm gestaltet. Begrüßt wurden die Gäste vom 1. Vorsitzenden Siegfried Grawitter und der Stellvertreterin Waltraut Liedtke. Auch Eckard Steiner, Vorsitzender der Kreisgemeinschaft Gumbinnen, richtete seine Grußworte an die Anwesenden. Erschienen waren auch Karin Banse, stellv. Vorsitzende, und Gerda Nasner, die beide in der Kreisgemeinschaft Gumbinnen tätig sind.

    In seiner Begrüßungsrede hob S. Grawitter insbesondere die Verdienste von Begründer und Ehrenmitglied Dietrich Goldbeck (95) hervor sowie der langjährigen Vorsitzenden Hildegard Linge (verst. im Dez. 2003). Herrn Goldbeck wurde von der Stellvertreterin Waltraut Liedtke eine Urkunde überreicht. Der Vorsitzende bedankte sich auch bei den Gründungsmitgliedern Eva Behling, Grete Grün, Albrecht Hagen, Christel Raudschus und Herta Peitschat für die intensive Mitarbeit. Alle erhielten ebenfalls eine Urkunde. Auch für die übrigen Mitglieder fand er lobende Worte für die rege Teilnahme und Mitarbeit.

    1985 wurde die Arbeitsgemeinschaft gegründet mit dem Ziel, das „Ostpreußisch Platt“ als Mundart weiterhin für unsere Nachwelt zu erhalten, denn die Sprache ist ein nicht zu unterschätzendes Kulturgut, das nicht vergessen werden darf. Mit Unterstützung von Dr. Ulrich Tolksdorf, vom „Preußischen Wörterbuch“ der Universität Kiel, machte man sich damals an die Arbeit. Schon bei den ersten Treffen waren nicht nur Gumbinner, sondern auch Ostpreußen aus den Kreisen Insterburg, Tilsit-Ragnit, Pillkallen-Schloßberg, Stallupönen-Ebenrode, Darkehmen-Angerapp und Goldap mit dabei.

    Für alle war eines wichtig, gemeinsam die Liebe zum heimatlichen Platt zu erhalten. Nach dem Tod von Dr. Tolksdorf 1992 konnten seine Nachfolger Dr. Reinhard Goltz und Dr. Martin Schröder gewonnen werden, um die erfolgreiche Arbeit der Gruppe weiterhin zu unterstützen.

    Dem Engagement der Arbeitsgruppe ist es zu verdanken, daß inzwischen das 370 Seiten umfassende Werk „Eck vertäll miene Jeschichte“ im Elwert Verlag, Marburg, erschienen ist. Verfasser sind Dr. Goltz und Dr. Schröder. Darin gesammelt sind frei geschilderte Geschichten aus der Heimat, wie z. B.: Menschen und Landschaften, Arbeit und Altag, Erlebnisse und Ereignisse und noch vieles mehr. Niedergeschrieben, natürlich alles in Platt. Darüber hinaus haben Waltraut Liedtke und Hildegard Linge ein plattdeutsches Arbeitsheft mit dem Titel „Läwe un Sproak tohus oppem Land“ herausgegeben. Es sind dann noch weitere kleine Broschüren wie z.B.: „Rezepte ut Omas Koakbook“ und Lieder der Arbeitsgemeinschaft erschienen.

    Das Programm der Jubiläumstagung war an beiden Tagen gut abgestimmt. Es wurden Geschichten vorgelesen, Lieder aus der Heimat gesungen, kleine Anekdoten erzählt und auch Lustiges vorgetragen, wo man auch einmal in sich hineinschmunzeln konnte. Am Abend traf sich die Gruppe dann zu einem geselligen Beisammensein. Es wurde viel Platt geredet, und zu Akkordeonklängen von Charlotte Hünken und Heinz Grawitter wurden Lieder gesungen und einiges zum besten gegeben.

    Am Abschlußtag zog S. Grawitter noch einmal ein kurzes Resümee und bedankte sich bei allen Teilnehmern für die an beiden Tagen gute Zusammenarbeit. „Wir haben noch einiges zu tun und wollen weiterhin tatkräftig ans Werk gehen“, betonte er in seinem Schlußwort. Mit dem gemeinsam gesungenen Ostpreußenlied klang dann die Veranstaltung aus.