Die Post
von Georg Faustmann


Die Einführung der Post in Kreis und Regierungsbezirk Gumbinnen geht auf König Friedrich Wilhelm I. zurück.

Er betrieb den Aufbau des Postwesens gegen den Widerstand seiner eigenen Verwaltungsbürokratie mit der ihm eigenen Energie. Es wurden anstelle der sogenannten Ämter- und Botenposten mit ihrer nur örtlichen Bedeutung die ersten festen Postlinien geschaffen und an das Liniennetz des übrigen Preußen angeschlossen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden nach und nach an den größeren Plätzen des Bezirks — so auch in Gumbinnen — staatliche Postanstalten eingerichtet, die die Stürme des Siebenjährigen Krieges und der Napoleonischen Kriege überdauerten. Das Postamt zu Gumbinnen erhielt im Jahre 1802 die Bezeichnung „Grenzpostamt“, und zwar unter Berücksichtigung seiner Aufgaben im Verkehr mit den Nachbarländern.

Im Zuge der Erneuerung des Postwesens nach den Befreiungskriegen sowie mit Rücksicht auf den ansteigenden inneren und zwischenstaatlichen Verkehr erwies sich die Einrichtung besonderer Verwaltungsbehörden als notwendig. Dies führte im Jahre 1850 zur Errichtung von Oberpostdirektionen, den späteren Reichspostdirektionen, denen sämtliche Postanstalten ihres Bezirks unterstellt wurden. Als Amtsbereich erhielt die Oberpostdirektion Gumbinnen den damaligen Regierungsbezirk Gumbinnen zugewiesen. Er umfasste außerdem die Kreise Lötzen, Lyck, Sensburg und Johannisburg.

Die Aufgaben der neuen Behörde waren in den ersten Jahren recht schwierig, da der hiesige Grenzbezirk noch nicht die gleiche Aufwärtsentwicklung wie die anderen Bezirke genommen hatte. Der Bau von Kunststraßen stand noch in den Anfängen. Eisenbahnen waren überhaupt noch nicht vorhanden. Es musste unter denkbar ungünstigen Wegeverhältnissen der gesamte Nachrichten-, Personen- und Güterverkehr bewältigt werden. Auch fällt in diese Jahre ein allgemeiner wirtschaftlicher Aufschwung, der durch die günstigere Verwertung der landwirtschaftlichen Produkte ausgelöst wurde. Es gelang aber im Laufe weniger Jahre durch Zusammenarbeit mit den übrigen Behörden eine vermehrte Neuanlage und wesentliche Verbesserung der Straßen und Wege zu erreichen, so dass trotz der großen Entfernungen besonders der Nachrichtenverkehr bis in die entlegensten Teile des Bezirks ausgedehnt werden konnte. Zur Darstellung des Umfangs der geschaffenen Verbindungen mag erwähnt werden, dass im Jahre 1859 jährlich 225.000 Meilen auf den Postkursen gefahren wurden.

Von Gumbinnen aus bestanden im Jahre 1860 folgende Personen- und Carriolpostverbindungen: Gumbinnen-Taplacken-Königsberg, Gumbinnen-Goldap, Gumbinnen-Schloßberg (Pillkallen), Gumbinnen-Rhein, Gumbinnen-Ebenrode (Stallupönen), Gumbinnen-Tilsit, Gumbinnen-Nemmersdorf, Gumbinnen-Wehrkirchen (Szittkehmen). Die nachfolgenden Jahre schufen neue Verhältnisse durch den allmählichen Ausbau des Eisenbahnnetzes und der damit verbundenen Steigerung des Verkehrs. Inzwischen war als Träger des Nachrichtenverkehrs das Telegrafenwesen entstanden, das später mit dem Postwesen vereinigt wurde.

Die erste Telegrafenstation wurde im Jahre 1854 in Gumbinnen errichtet. Ein umfangreiches Leitungsnetz musste aufgebaut werden. Die allgemeine Entwicklung des Nachrichtenwesens stand im Zeichen des wirtschaftlichen Auftriebs nach der Reichsgründung von 1871 und dauerte bis zum Weltkrieg 1914. In diese Zeit fällt auch die Einführung des Fernsprechers als Nachrichtenmittel. Am 25. April 1898 wurde beim Postamt Gumbinnen der erste Fernsprechdienst mit 33 Teilnehmern eröffnet und das Fernsprechwesen im Laufe der Jahre über den ganzen Bezirk ausgedehnt.

Das dauernde Anwachsen des Verkehrs und die Entstehung neuer Aufgaben führte zwangsläufig zu einer weiteren Ausdehnung der Oberpostdirektion. Bei ihrer Gründung war sie im Hause des Posthalters Lehder (Friedrichstraße 3 a) räumlich untergebracht und bezog im Jahre 1875 das sogenannte Krausenecksche Grundstück (Friedrichstraße 16). In den Jahren 1887—1890 wurde an der Stelle, wo sich seither der Gasthof „Deutsches Haus“ befunden hatte, das heutige Direktionsgebäude errichtet und in den unteren Räumen das Postamt untergebracht. Die Aufwärtsentwicklung, die der Bezirk bis zum Jahre 1914 genommen hatte, wurde durch den Ersten Weltkrieg jäh unterbrochen.

Überhaupt sollten die Kriegswirkungen die Oberpostdirektion Gumbinnen am schlimmsten treffen vor allen anderen Direktionen. Der Telegrafen- und Fernsprechbetrieb wurde in den Augusttagen 1914 in stärkstem Maße belastet, der Postverkehr schwoll gewaltig an. Bald begannen die ersten Kämpfe bei Göritten und Stallupönen (Ebenrode) und einige Tage später bei Gumbinnen. Die Direktion musste nach Insterburg verlegt werden. Aus dem ganzen Bezirk trafen die Unglücksmeldungen über die Verwüstungen des Feindes ein. Auch Insterburg musste geräumt werden, und die Direktion wurde nach Königsberg und später nach Bromberg verlegt. Der gesamte Bezirk mit Ausnahme von Lötzen und geringen Teilen der Niederung befand sich in der Hand des Feindes. Trotzdem ging die Arbeit weiter. Die riesigen Mengen an Postsendungen und Paketen für den Bezirk mussten an rückliegenden Orten verarbeitet werden. Nach den Siegen Hindenburgs bei Tannenberg und den Masurischen Seen konnte schon bald der Dienstbetrieb zunächst in Insterburg und dann auch in Gumbinnen in den im allgemeinen unversehrt gebliebenen Diensträumen wieder aufgenommen werden. Die vom Feind wieder befreiten Teile des Bezirks wurden in einem trostlosen Zustand vorgefunden. Die Posthäuser waren teils zerstört und verbrannt. Das Fernsprech- und Telegrafenleitungsnetz war zum großen Teil vernichtet. Trotzdem mußte der Aufbau mit Rücksicht auf die vorrückenden Truppen und die wieder zurückgekehrte Bevölkerung sofort in Angriff genommen werden. Es gelang auch bald, einigermaßen geordnete Verhältnisse zu schaffen. Den Postbeamten des Gumbinner Bezirks werden ihre Leistungen in dieser schweren Zeit zur dauernden Ehre gereichen. Das Verhalten der Postbediensteten wurde auch durch die Anerkennung der Militärdienststellen belohnt. Eine ganze Reihe von Postbediensteten, darunter auch Postagenten und Telegrafenarbeiter, wurden für ihre außerordentlichen Verdienste in dieser Zeit mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.

Es dauerte jedoch noch Monate und Jahre, bis die letzten Schäden des Krieges behoben waren und in den Nachkriegsjahren der Wiederaufbau mühselig einsetzen konnte. Die neue Entwicklung stand im Zeichen der Technik. Die Personenbeförderung wurde jetzt mit Kraftposten durchgeführt und im Bezirk Gumbinnen die erste ostpreußische Kraftpostlinie Ragnit-Schillfelde im Jahre 1923 eingerichtet. Das Telegrafenbauwesen wurde erweitert und im Jahre 1925 in Gumbinnen ein Telegrafenbauamt für den Bezirk errichtet. Im Fernsprechwesen wurde Wählerbetrieb eingeführt, im Telegrafenbetrieb Springschreiber verwendet.

Der Rundfunk als jüngster Zweig des Fernmeldewesens nahm einen ungeahnten Aufschwung. Aber auch der Postbetrieb wurde auf die Erfordernisse der Zeit umgestellt durch Einführung der Landkraftposten und durch örtliche Motorisierung. Ein neuer Abschnitt auch im Post-und Fernmeldewesen hatte begonnen. Gerade in Ostpreußen hatte sich der allgemeine Verkehrsaufschwung am deutlichsten gezeigt. Aus dem Geschäftsbericht der Deutschen Reichspost für das Rechnungsjahr 1935 war zu erkennen, dass neben Mitteldeutschland gerade in Ostpreußen ein besonders lebhafter Betrieb im Verhältnis zum übrigen Reichspostgebiet festzustellen war. Infolgedessen war es dringende Notwendigkeit, die einzelnen Geschäftszweige im hiesigen Bezirk auszubauen, um die erheblich gestiegenen Verkehrsleistungen bewältigen zu können. So waren seit 1933 zusammen mit der Erweiterung der Landverkraftung 112 neue Postanstalten im Bezirk eingerichtet worden. Der Kraftfahrzeugbestand wurde durchschnittlich um 30 Prozent erhöht. Neue Werkräume und sonstige Anlagen wurden erbaut, die Fernmeldeanlagen im erheblichen Umfange erweitert. Im Fernsprechwesen allein wurden bis zum Ende 1937 50 Prozent der Sprechstellen automatisiert. Hiermit konnten gleichzeitig neben der dauernden Sprechmöglichkeit bei Tag und Nacht und weitgehender Verkabelung der Ortsnetze die Störungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Ferner wurde unter Anwendung erheblicher Mittel durch Bau von gemeinde¬öffentlichen Sprechstellen eine weitere Erschließung des flachen Landes vorgenommen, insbesondere sind Fernsprech- und Rundfunkentstörungsbezirke bei den einzelnen Verkehrsämtern eingerichtet und mit Kraftwagen und besonderen Geräten ausgestattet worden.

Die Direktoren — nach 1933 Präsidenten — waren: Rehbock, Göhrke, Schilde, Spranger, Hoffmann (bis 1919), Jentsch (1920—1924), Holst (1925—1932), Schmidt (1932—1936), Brandt (bis 1937), Block (1937—1938).