Kanthausen
Übersicht – Quelle: Gumbinnen von Dr. Grenz
Kanthausen
(Judtschen) mit Bahnhof Kanthausen (Judtschen): Kirchspiel Kanthausen (Judtschen). Amtsbezirk und Standesamtsbezirk Kanthausen (Judtschen). — E.: 374. GH.: 820,— RM. G.: 449 ha. —
Pfarramt: 1925 Pfarrer Georg Lehmann, 1937 Theodor Schultz. —
Zweiklassige Volksschule, letztes Schulhaus vor 1914 erbaut. Um- und Erweiterungsbau von 1909 (lt. Verw.-Ber.). Laut Ausschreibung in der LZ vom 29.10.1897 zum 1.1.1898 erhielt der Kirchschullehrer und Kantor ein Grundgehalt von 1388 Mark (Jahresgehalt) und eine Wohnung im Werte von 170 Mark. —
Die LZ vom 25.3.1905 bringt die Todesanzeige von Kantor em. Johann Schwarz-Judtschen, der am 13.3.1905 im Alter von 79 Jahren verstarb. Er stand 50 Jahre im Schuldienst, davon 25 Jahre in Judtschen (also bis 1897 !). Im Verw.-Ber. 1899/1900 wird Kantor a.D. Schwarz erwähnt. 1905 Lehrer Luschnat (lt. Verw.-Ber.).
1925: Kantor Ernst Speer und Lehrer August Oumard. 1937: Lehrer i. R. Ernst Klaar, Lehrer Karl-Heinz Schulze, Lehrer Alfred Schwermer, Lehrer i. R. Franz Wallies. Schwermer und Wallies lt. OF bis zur Vertreibung am Ort. —
1937: Bürgermeister: Landwirt Friedrich Adomßent. —
Post: Judtschen über Gumbinnen (15 km). —
Eisenbahnstation. —
Landwirte: Johann Abromeit, Friedrich Adomßent, Franz Schmidt, Fritz Schwarz, Max Sinnhuber (Landwirt und Gastwirt). —
Besitzer: Luise Adomßent, Franz Bernhardt (Besitzer und Postagent), Karl Kammer, Heinrich Schinz.
Bauern: Otto Bendigkeit, Otto Eichert, Hermann Hammer, Otto Klädtke, August Petereit, Hans Schinz, Fritz Sipplie. —
Siedler: Ernst Helmdach. —
Handwerker: Schneidermeister Franz Bouchard, Sattlermeister Kurt Brommond, Schneidermeister Gottlieb Gibbat, Schneidermeister Walter Gibbat, Maler Fritz Hartmann, Maurer Paul Hoff, Schuhmacher Otto Jandt, Stellmachermeister Gustav Lindenau, Schneidergeselle Hans Loyal, Schuhmachergeselle Fritz Mahnke, Schmiedegeselle Fritz Schlemminger, Schneider August Uridat, Schmied und Landwirt Ernst Volkmann, Sattlermeisterwitwe Emilie Weber. —
Weitere Berufe: Bahnbeamter Wilhelm Bahr, Invalide und Postaushelfer Fritz Bernecker, Besitzer und Postagent Franz Bernhardt, Rottenaufseher a. D. Franz Block, Schrankenwärter Otto Buschinski, Hausbesitzerin Marie Dawedeit, Postbote Otto Deege, Bahnarbeiter Franz Drescher, Rechner Helmut Dubberke, Rottenführer Gustav Gramatke, Stationsmeisterwitwe Auguste Hermann, Weichenwärter Karl Hinz, Gendarmerie-Oberwachtmeister Fritz-Karl Hoppe, Gendarmerie-Meister Max Kirschnereit, Schriftsetzer Alfred Klinger, Aushilfsweichenwärter Franz Klinger, Weichenwärter Friedrich Lenz, Glöckner August Litty, Oberpostschaffnerwitwe Auguste Loyal, Kontoristin Elly Loyal, Händler Otto Maurischat, Bahnarbeiter Otto Norkus, Hilfsschrankenwärter Karl Podßun, Gastwirt Kurt Prasse, Bahnhofswirt Emil Preuß, Hausbesitzer Hans Radtke, Reichsbahnassistent Otto Rost, Instmann Johann Schäfer, Wirtsch.-Gehilfe Fritz Schneidereit, Pfarrerwitwe Maria Schultz, Gastwirt und Landwirt Max Sinnhuber, Bahnarbeiter Hermann Stakewski, Bahnwärter a. D. Wilhelm Sziedat, Kassenbuchhalterin Marta Uschkurat, Postbote Gustav Werning. —
Deputanten: Rudolph Brettschneider, Friedrich Hinz, Albert Thiel. —
Arbeiter: Hermann Bischhoff, Gustav Kledtke (Landarbeiter), Karl Mursell, August Pantel, Franz Slomianka, Gustav Stakowski, Karl Tretschoks. —
Sozialstatus: 7 Witwen, 1 Kriegerwitwe, 1 Pfarrerswitwe, 1 Stationsmeisterwitwe, 1 Oberpostschaffnerwitwe, 4 Rentenempfängerinnen, 2 Rentnerinnen, 7 Rentenempfänger, 1 Kleinrentnerin, 2 Pensionäre, 1 Kriegsinvalide, 1 Invalide, 3 Rentner, 1 Altsitzer, 2 Altsitzerinnen, 1 Rentier. —
1925: Gutsbesitzer: Karl Kammer, Hans Schinz, Julius Kledtke, Otto Bendigkeit, Luise Adomßent, 5 Besitzer, 3 Kleinbesitzer, 1 Bahnhofswirt, 1 Kaufmann (Karl Labinski), 2 Gastwirte (Karl Prusseit und August Weber), 2 Sattler, 1 Stellmacher, 1 Händler, 1 Schuhmacher, 1 Schneider, 1 Schmied, 1 Tischler, 1 Regierungsrat (Dr. Aug. Fixson), 2 Oberlandjäger, 1 Pfarrer, Kantor, 1 Lehrer, 1 Glöckner (August Litty), 1 Stationsvorsteher, 1 Weichensteller, 2 Weichenwärter, 1 Eisenbahnbetriebsassistent a. D., 2 Eisenbahnbetriebsassistenten, 1 Rottenführer, 2 Schrankenwärter, 1 Bahnwärter, 1 Postagent, 1 Oberpostschaffner, 3 Postschaffner, 1 Postaushelfer, 1 Hausbesitzer, 1 Buchhalterin. —
Im Archiv der Kreisgemeinschaft Gumbinnen ein Ausschnitt aus „Das Ostpreußenblatt“ vom 6. 7. 1963, in dem über eine irrtümliche Mobilmachung im Postbezirk Judtschen im Jahre 1896 berichtet wird.
Der Postvorsteher hatte irrtümlicherweise die roten Mobilmachungszettel, die auf der Post für den Ernstfall bereit liegen sollten, sofort nach Erhalt an die Gemeindevorsteher weitergeben lassen. Die Leute waren recht erschreckt, als sie wie aus heiterm Himmel lasen: „Mobilmachung! Krieg mit Rußland! Jeder Wehrpflichtige, der Soldat gewesen ist, hat sich sofort in seiner Garnison zu stellen.“ Als Verfasser des Berichts zeichnet L. Seh. —
Im Archiv der Kreisgemeinschaft Gumbinnen weiterhin 1 Ortsfragebogen von 1966 mit Beiblatt.
Danach letzter Bürgermeister der bereits 1937 erwähnte Bauer Friedrich Adomßent.
Das Dorf lag an der Angerapp. Letzter Amtsvorsteher des Amtbezirks Kanthausen (Judtschen) war Padeffke aus K.
Im Ort 2 Gastwirtschaften und 1 Bahnhofswirtschaft.
4 selbständige Handwerker: Stellmachermeister Gustav Lindenau, Schmiedemeister Ernst Volkmann, Schneidermeister Franz Bouchard und Schuhmacher Otto Jandt.
11 Bauern: Hans Schinz, Friedrich Adomßent, Otto Holstein, Fritz Sipplie, Grete Hübner, geb. Kammer, August Petereit, Walter Dingel, Otto Klädtke, Otto Bendigkeit, Otto Eichert, Hermann Hammer. —
Im 18.Jhdt. größtenteils Salzburger angesiedelt. —
Am Ort ein sagenumwobener Berg: der Schloßberg. —
Verkehrslage: Im Dorf war ein Bahnhof der Hauptstrecke Königsberg—Eydtkuhnen. —
Im Ersten Weltkrieg 25 Gefallene; für den Zweiten Weltkrieg Zahl nicht genau feststellbar. —
Fritz Niklaus liefert folgenden Bericht über Kanthausen:
Die Eigentümer waren: 1. Auguste Hermann 5,65 ha., 2. Walter Sinnhuber 4,25 ha., 3. Friedrich Adomszent 33,52 ha., 4. Otto Bendigkeit 35,00 ha., 5. Franz Bernhardt 1,00 ha., 6. Walter Dingel 6,00 ha. ,7. Otto Eichert 17,50 ha., 8. Gottlieb Gibbat 0,75 ha., 9. Hermann Hammer 13,75 ha., 10. Paul Hoff 1,75 ha., 11. Margarete Hübner 39,00 ha., 12. Otto Klaedtke 29,50 ha., 13. Gustav Lindenau 1,50 ha., 14. August Petereit 12,00 ha., 15. Kurt Prasse 1,00 ha., 16. Heinrich Roth 1,50 ha., 17. Heinrich Schinz 3,00 ha., 18. Fritz Schwarz 0,25 ha., 19. Fritz Sipplie 20,68 ha., 20. Wilhelm Sziedat 1,00 ha., 21. Martha Urban 0,11 ha., 22. Ernst Volkmann 5,75 ha., 23. Kurt Brommond 0,50 ha., 24. Otto Hollstein 23,25 ha., 25. Auguste Loyal 0,50 ha., 26. Hans Schinz 110,00 ha., 27. Wilhelm Holzmann 0,50 ha., 28. Otto Langhans 0,50 ha., 29. Franz Schöwitz 0,50 ha., 30. Franz Slomianka 0,50 ha., 31. Richard Piguet 0,50 ha., 32. Joseph Weiß 0,50 ha., 33. Alexander Zoch 0,50 ha., 34. Kirchengemeinde 75,00 ha., 35. Schule 4,00 ha.
Die Gemeinde Kanthausen war Kirchdorf einer französisch-reformierten Kirche, die bei der Neubesiedlung nach der Pest von 1709/10 für die französischen Schweizer eingerichtet worden war, da sie ihre gewohnte Kirche haben sollten. Ein deutsch-reformierter Prediger saß in Sadweitschen.
Der Name Kanthausen geht auf die vorübergehende Anwesenheit des Philosophen Immanuel Kant zurück und wurde dem Ort am 16.7.1938 erteilt.
Weiter bestand hier ein Bahnhof und eine Post mit Fernsprechzentrale.
Weiter gab es 2 Gasthäuser, 1 Bäcker, 1 Stellmachern, 1 Schmiede, 1 Maler und auf dem Bahnhof eine umfangreiche Zweigstelle der An- und Verkaufsgenossenschaft Gumbinnen. Hier haben die Bauern aus den Kirchspielen Kanthausen (Judtschen) und Branden (Ischdaggen) ihr Getreide abgesetzt und den Kunstdünger bezogen.
Sonst bestanden 1 Kriegerverein und später der „Stahlhelm“ am Ort. —
Über den Aufenthalt Kants als Hauslehrer in Judtschen berichtet Bernhard Haagen aus Berlin-Friedenau in dem Aufsatz „Auf den Spuren Kants in Judtschen“ in der Altpreußischen Monatsschrift (Bd. 48. Königsberg 1911, S. 382—411 u. 528—556).
Danach wurde Kant von dem Prediger Daniel Andersch in J. als „Hofmeister“ (Erzieher) seiner Kinder engagiert. Es handelte sich um 3 Söhne im Alter von 8, 11 und 13 Jahren. Die genaue Zeit der Anwesenheit Kants in J. ist nicht mehr auszumachen, aber sie muß in die Zeit zwischen der Mitte des Jahres 1747 und dem Ende von 1751 gelegen haben. Ein Freund Kants, namens Wald, berichtet, daß Kant 3 Jahre in J. gewesen sei. Es kann sich nach Haagen dann nur um die Jahre 1747—1750 oder 1748—1751 handeln. Urkundlich belegt ist die Anwesenheit Kants in J. durch zwei Eintragungen in das Judtscher Taufregister von der Hand des Predigers Andersch:
„27. Oktober 1748″ läßt taufen der Schulmeister Jacob Challet aus Judtschen sein Söhnlein mit dem Nahmen Samuel. Die Mutter heißt Blattin. Die Taufzeugen sind gewesen Immanuel Kant, Studiosus Philosophiae, und die Frau Prediger Anderschin aus Judtschen. (J. T. 1748, Nr. 38).
„Den 8. Dez. 1748. David. Der Vater heißt David Pernoud, die Mutter Sara geb. Hürtgen. Die Taufzeugen: Herr Immanuel Kant, Herr Paul Benjamin Andersch, Abraham Thies. Peter Mombry, Isaak Grojean, Magdalene Rno, Maria Müllerin, Elisabeth Hürtgen.“ (JT. Nr. 43).
Spätestens 1751 muß Kant aus Judtschen weggegangen sein; denn das Taufregister in J. zeigt, daß am 5. Dezember 1751 ein stud. theol. Johann Jakob Bohlen im Predigerhause wohnte, der anscheinend die Hauslehrerstelle bei den jüngsten Söhnen des Predigers versah. Andersen hatte im ganzen 5 Söhne: 1. Ernst Daniel, geb. 30. April 1731, Karl Samuel, geb. 17. Dezember 1732. Paul Benjamin, geb. 4. Dezember 1734. Timotheus, geb. 27. Dezember 1736. 5. Christian Eberhard, geb. 29. August 1739.