Ullrichsdorf Ostpr.


Übersicht – Quelle: Gumbinnen von Dr. Grenz

Ullrichsdorf Ostpr.

(Groß-Wischtecken), mit Ullrichshof (Klein-Wischtecken) (Gut) und Grünheide:
Kirchspiel Kanthausen (Judtschen). Amtsbezirk und Standedsamtsbezirk Kanthausen (Judtschen). — E.: 329. GH.: 810,— RM. G.: 461 ha. —
Einklassige Volksschule. 1925: Lehrer Hermann Monzka. 1937: Lehrer Bruno Homfeld. —
1937: Bürgermeister: Molkereibesitzer Friedrich Lindenblatt. —
Post: über Insterburg II (24 km). —
Landwirte: Emil Behrendt, August Borowski, Albert Buttgereit, Fritz Columbus, Fritz Dudßus, Hans Girod, Fritz John (Landwirt und Gastwirt), Friedrich Kallweit, Karl Kallweit, Albert Motzkat, Hans Padeffke, Johann Petrat (Schneidermeister und Landwirt), Hermann Podschun, Fritz Poschwatta, Ferdinand Räder (Landwirt und Rentenempfänger), Fritz Reichert, Friedrich Schiemann, Max Tieslauk. —
Jungbauer: Fritz Columbus, Erwin Padeffke, Erich Podßun, Walter Schiemann. —
Gutsbesitzer: Hans von Trotha. —
Handwerker: Schmiedemeister Franz Bäck, Stellmacher Emil Brandenburg, Schmiedegeselle Eduard Brassat, Fleischer Gustav Koralus, Stellmacher Hans Kornberger, Schmied Johann Krafzig, Tischler Karl Kuster, Schneidermeister und Landwirt Johann Petrat, Stellmacher Max Pingel, Schmied Heinrich Stutzki, Schuhmacher und Kätner Hermann Telge. —
Weitere Berufe: Ziegeleiarbeiter Richard Borowski, Straßenwärter Adolf Draber und Karl Hartwich, Ziegelbrenner August Holland, Kätnerwitwe Auguste Kalweit, Kutscher Otto Kühlhorn, Wirtschafter Erich Lach, Molkereibesitzer Friedrich Lindenblatt, Kutscher Otto Metschies, Otto Müller und Ferdinand Philyweski, Kraftfahrer Otto Pantel und Fritz Pilkuhn, Kaufmann Fritz Pillukat, Kistenfabrikant Hans Pillukat, Ziegeleiarbeiter Otto Salewski, Maschinist Fritz Szameitat, Melker Otto Warnat, Betriebsleiter August Wiemer, Molkereigehilfe Willi Wittkuhn. —
Deputanten: Franz Borowski, Franz Hinkel, Otto Nern. —
Arbeiter: Otto Bendicks, Friedrich Bieber, Richard Borowski (Ziegeleiarbeiter), Fritz Bromand, Ernst Brommond, Hermann Bukies, Otto Bukies, Fritz Domning, Emil Endrulat, Ernst Gerlach, Emil Grünau, Wilhelm Hapke, Fritz Hermann, August Holland, Franz Holland, Otto Holland, Otto Hopp (Landarbeiter), Johann Klöß, Fritz Kuster, Eduard Lange (Holzarbeiter), Franz Markschies, Franz Minge, Otto Müller, Otto Salewski (Ziegeleiarbeiter), Gustav Schaaf, Otto Wagner (Freiarbeiter), August Weiß, Fritz Weiß. —
Sozialstatus: 1 Rentenempfängerin, 4 Rentenempfänger, 1 Ortsarme, 4 Witwen, 1 Kätnerwitwe, 2 Altsitzer, 1 Altsitzerin, 1 Kriegsrentnerin. —
1925: 1 Lehrer, 1 Meiereibesitzer (Friedrich Lindenblatt), 11 Besitzer (darunter Gemeindevorsteher Hermann Zimmerningkat), 9 Kätner, 1 Betriebsleiter (August Wiemer), 1 Schmied, 1 Schneider, 1 Schneiderin, 2 Schuhmacher, 1 Wagenbauer, 1 Melker. —
Im Archiv der Kreisgemeinschaft Gumbinnen Orts- und Gemarkungsplan von Ullrichsdorf mit Eintragung der Grundstückseigentümer:

1. Erwin Padeffke, 2. Friedrich John, 3. Ida Behrendt, 4. August Borowski, 5. Emil Räder, 6. Auguste Conrad, 7. Friedr. Buttgereit, 8. Otto Bukies, 9. August Borowski, 10. von Zedelmann, 11. Johann Petrat, 12. August Borowski, 13. Berta Dauk, 14. Hermann Bukies, 15. Friedr. Lindenblatt, 16. Otto Müller, 17. August Wiemer, 18. Fritz Weise, 19. August Weiss, 20. Schule (Turowski), 21. Fritz Reichert. 22. Hermann Telge, 23. Ludwig Josties, 24. Karl Kallweit, 25. Ida Behrendt, 26. August Holland, 27. Hans Pillukat, 28. Hans Pillukat, 29. Max Thieslauk, 30. Fritz Columbus, 31. Fritz Columbus, 32. Hermann Seidenberg, 33. Friedrich Schiemann, 34. Fritz Dudszus, 35. Albert Buttgereit, 36. Elisabeth Motzkat, 37. Hans Girod. 38. Hans Girod, 39. Kalweit, 40. Happke, 41. Lange, 42. Max Eglinski, 43. Hartwig, 44. Heinrich Stutzki, 45. Otto Wagner, 46. Emil Brandenburg, 47. Hans Kornberger, 48. Johann Klöhs. —


Ullrichshof:
Besitzer: Ida von Trotha. Die Karte ist im Maßstab 16 cm = 1 km gezeichnet. —
Zeitungsinserat, nach 1933, wirbt für: „Friedrich Pillukat & Söhne, Kistenfabrik Groß-Wischtecken, Kr. Gumbinnen. Telefon Sodehnen, Kreis Darkehmen, 156. Größtes Industriewerk    dieser   Art   in   Ostpreußen. Herstellung von Kisten und Kistengarnituren aller Art. Tägliche Verarbeitung von 80—100 rm Kistenholz zu Kisten und Garnituren. Belegschaft 80 Mann.“
Fritz Niklaus macht über Ullrichsdorf folgende Angaben:
Die Eigentümer zum Zeitpunkt der Vertreibung waren: 1. Otto Bukies 1,12 ha. 2. Albert Buttgereit 6,00 ha. 3. Fritz Columbus 17,00 ha. 4. Berta Dauk 4,00 ha. 5. Berta Girod 27,00 ha. 6. August Holland 0,52 ha. 7. Albert John 33,50 ha. 8. Elisabeth Motzkat 7,66 ha. 9. Otto Müller 0,72 ha. 10 Anna Kuster 12,00 ha. 11. Erwin Padeffke 107,50 ha. 12. Johann Petrat 0,88 ha. 13. Max Thieslauk 10,75 ha. 14. Friedrich Schiemann 12,50 ha. 15. Hermann Seidenberg 11,00 ha. 16. Ida v. Trotha 125,69 ha. 17. Emil Behrend 5,00 ha. 18. August Borowski 5,00 ha. 19. Albert Blosinski 5,00 ha. 20. Fritz Dudschus 5,00 ha. 21. Karl Kalweit 8,00 ha. 22. Auguste Konrad 0,70 ha. 23. Fritz Lindenblatt 2,00 ha. 24. Hans Pillukat 8,00 ha. 25. Podszun 7,50 ha. 26. Emil Raeder 8,00 ha. 27. Fritz Reichert 7,50 ha. 28. Hermann Telge 0,75 ha. 29. August Wiemer 5,00 ha. 30. Schule 3,00 ha.
Ullrichsdorf war ein gemischtes Dorf; hier gab es auch Gewerbebetriebe: 1 Wagenbaufirma mit Kistenfabrik, 1 Meierei, 1 Schmiede, 1 Gastwirtschaft Schneider.
Das Dorf lag an der Hauptstraße Insterburg—Angerapp. —
Über das Gut Klein-Wischtecken (Ullrichshof) schreibt Ida von Trotha am 07.01.1966:
„Als wir im Dezember 1931 Klein-Wischtecken übernahmen, fanden wir ein altes Pergament vor, in dem dem Besitzer des Gutes allerlei Rechte zugesichert wurden, z. B. Weide des Viehs in der angrenzenden königlichen Forst. Es schloß damit, daß, sollte es dem Besitzer des Gutes einmal schlecht ergehen, er sich vertrauensvoll an den König von Preußen wenden sollte. — Ich glaube, das Schriftstück stammte von König Friedrich Wilhelm I.
Das köllmische Gut Klein-Wischtecken hat, wie aus den Grabsteininschriften hervorging, durch mehrere Generationen der Familie Hagen gehört, den Vorfahren der Hagen-Pogrimmen und (Mo?)neiten. Etwa 1904 ging das Gut in anderen Besitz über und wenige Jahre später wechselte es noch einmal den Besitzer. Die Namen weiß ich nicht. Mindestens einer dieser beiden — vielleicht auch beide — soll ein sehr guter Viehwirt gewesen sein. Er baute viel Klee mit Timothee an, zäunte den jeweiligen Timotheeschlag ein und beweidete ihn. Er und einige Bauern der Umgegend ermöglichten es Herrn Lindenblatt, in Groß-Wischtecken eine Meierei zu eröffnen, die bis zum Zusammenbruch von 1945 gut im Gang war und für uns Milchlieferanten wegen der kurzen Anfuhr und der guten Leitung sehr vorteilhaft war. —
Ich glaube, kurz vor dem Ersten Weltkrieg ging das Gut Kl.W. in den Besitz des Herrn Blankenburg über, der in den schlimmen Nachkriegsjahren in Schwierigkeiten geriet. Die Treuhandstelle für Umschuldungskredite übernahm es dann, von der wir es erwarben. —
Als alten Afrikanern war es uns recht schwer, uns in die so veränderten Verhältnisse hineinzufinden, besonders auch, weil der sehr schwere Boden viel Fingerspitzengefühl verlangte und die wirtschaftlichen Verhältnisse 1931 katastrophal waren. 1 Liter Milch brachte damals 6 1/2 Pfennig. Das änderte sich zwar 1933 nach der Machtübernahme Hitlers, dafür wurden wir aber in den vollkommenen Zusammenbruch geführt und unsere Jugend blieb auf den Schlachtfeldern.“
Von Frau M. Loos aus Grünheide findet sich ein Tagebuchbericht im Archiv der Kreisgemeinschaft, in dem sie das Fluchtgeschehen vom 20. Oktober 1944 bis zum 24. November 1944 beschreibt. Es handelt sich um 11 einzeilig, also eng mit Schreibmaschine beschriebene DIN-A-4-Bogen, die offenbar auf eine handgeschriebene Vorlage zurückgehen.
Der Bericht hat folgenden Inhalt:
Freitag, den 20. Oktober 1944, Nachmittags 16 Uhr: Es kommt der Befehl: Werner soll sofort mit Gewehr und Fahrrad zum Bürgermeister; von dort sollte es zum Kampf nach Schloßberg (Pillkallen) gehen. Aber Werner kommt wieder zurück mit dem Befehl: Sofort packen, aufladen und weitere Befehle abwarten. Es wurde gepackt, bis ungefähr alles fertig war. Als um 10 Uhr abends noch kein Befehl zum Abrücken da war, legten wir uns noch einmal hin. —
Sonnabend, den 21. Oktober 1944: 23,1 km bei sehr gutem Wetter gefahren. Abfahrt vom Hof gegen 10 Uhr vormittags mit Vorspann bis Lolen. Dort wurde auf die andern Wagen gewartet bis gegen 12 Uhr. Wir mußten so lange warten, da unser 2. Gummiwagen keine Luft hielt und immer wieder aufgepumpt werden mußte. Die Loler waren schon alle weg, nur die Schweizer trieben ihre Kühe zusammen. Die Schießerei war in der Zeit des Wartens sehr schlimm, wir glaubten nicht mehr wegzukommen. Morgens um 8 Uhr war schon ein Panzer im Dorf gewesen und hatte auf Buttgereits und Jankes Insthäuser geschossen. Die Leute waren noch beim Schweineschlachten, nun aber alles schnell auf die Wagen rauf und weg. — Wir nahmen auf unserem Wagen noch Frau Gasenzer mit ihrer 4 Wochen alten Tochter mit. Friedrun lag in ihrem Kinderwagen und meldete sich trotz aller Unregelmäßigkeiten nicht. — Auf dem 2. Gummiwagen waren Borcherts, Behrend und Küssners. Der alte Küssner hatte sich geweigert, mitzufahren und blieb zu Hause. Da dieser Wagen keine Luft hielt, waren die Frauen schon bis Lolen zu Fuß gekommen und wir nahmen dann auch noch die kleine Karin auf unsern Wagen, die friedlich auf der Truhe schlief. — Den 3. Wagen hatten Pusniewskis und Jaroslawski beladen, den 4. Wagen Familie Prang und den 5. Wagen fuhr Schattner. — Es war auch noch versucht worden, alle Fohlen mitzubekommen, aber an unserem Wagen blieb nur die einjährige von der dicken Fuchs, das neue Fohlen von Grubers lief bis Ullrichsdorf mit, dann lief es wieder zurück. Die andern beiden waren nicht mitzubekommen. — Als unsere 5 Wagen in Lolen zusammen waren, fuhren wir ab und schon in Sodehnen erreichten wir unsern Treck. Die andern Wagen, die um 10 Uhr abgefahren waren, mußten immer stehen bleiben und konnten nicht weiter. — Der Weg ging über Ullrichsdorf, Sodehnen, Ilgenau, Golsaue, Jürgenfelde, Trempen nach Rüttelsdorf (Pillkallen, dann Neu-Pillkallen) (Kr. Darkehmen). Am frühen Abend und in der Nacht war starker Nebel, der uns vor den Russen gerettet hat, denn wir wurden immer schon getrieben, da man jeden Augenblick mit dem Russen rechnete. Die Heerstraße nach Trempen war mit Soldaten, die die Panzerfaust bereithielten, besetzt. — In Rüttelsdorf kamen wir im Dunkeln an. Der Hof stand voll Wagen; wir mußten draußen auf der Straße liegen bleiben, und schliefen alle: Werner in der Hucke, Dorin auf der Truhe, ich oben auf den Betten und Friedrun in ihrem Wagen, auf dem Wagen. Um 3 Uhr schickte uns Werner schon zum Kaffeekochen, denn wir waren durchgefroren. Die andern Frauen waren auch schon alle auf und kochten Kaffee. Herr und Frau Schinz hatten überhaupt nicht geschlafen, sondern waren die ganze Nacht an den Wagen auf und ab gegangen. Auf dem Hof war ein Teil der Frauen mit den kleinen Kindern untergebracht. Unsere Friedrun lieb in ihrem  Wagen auf unserem Wagen, aber am Morgen waren die Betten vom Nebel ganz naß und verklammt. In aller Frühe fand uns dann auch Hilde Guddat, die auch im Gutshaus untergekommen war. Nachher kam noch Tante Lieschen und wir bekamen Milch von ihren Kühen. — Die Unterkunft in Rüttelsdorf war gut. Frau Esau stellte alle ihre Zimmer zur Verfügung, obwohl sie selbst zum Flüchten bereit stand, war sie die ganze Nacht auf und hat für alles gut gesorgt. —
Sonntag, den 22. Oktober 1944: 18,4 km bei gutem Wetter getreckt. Von Rüttelsdorf Abfahrt 7 Uhr morgens über Kowarren nach Kurkenfeld. Die Nacht vorher hatte Buttgereit benutzt, um einige verfahrene Wagen wieder zum Treck zurückzubringen, die dann früh in Rüttelsdorf waren und sich uns wieder anschlossen. In Kurkenfeld waren wir schon gegen Mittag und konnten gleich Quartier beziehen; es hieß, da könnten wir vorläufig bleiben. Bei Wiemers ging auf dem Weg hierher ein Rad entzwei und es kostete große Mühe, ein Ersatzrad aufzutreiben. Sie waren dadurch sehr zurückgeblieben und wurden dann von russischen Tieffliegern beschossen, kamen aber mit heiler Haut davon. Die Mertinhagener verloren dabei einen Gefangenen, hatten Schwer- und Leichtverletzte und einige tote Pferde. — Wiemers kamen erst am Spätnachmittag an und freuten sich, daß ich für ihre Großmutter noch ein Bett freimachen konnte. Dorin und ich hatten mit Perreys, Meyers, Schinz und Buttgereits ein Zimmer mit 2 Betten. Wir brachten gleich Friedrun mit dem Wagen ins Zimmer, damit sie wieder warm wurde. Gekocht haben wir nicht, wir lebten von Brot. — Ich lief noch schnell bis zur Chaussee zurück, um zu sehen, ob Guddats auch noch zu uns kamen, aber leider fand ich sie nicht mehr. — Die Loler nahmen ihre geschlachteten Schweine vom Wagen und teilten und legten sie in Salz. Gänse wurden noch fertig gemacht usw. Vielen war das Fleisch schon schlecht geworden. Frau Mombrée klagte, daß ihre 4 Gänse nicht zu gebrauchen seien. — Schipolowski mußte einen Arzt haben, es war Sonntag, keine Möglichkeit zu telefonieren. Heinz Knabe schickte ich, eine Krankenschwester zu suchen, leider ohne Erfolg. Frl. Meyer gab ihm dann ein Beruhigungsmittel. Wir schliefen dann in einem Zimmer: 1. Bett: Frau Buttgereit und Sabinchen, 2. Bett: Frl. Meyer und Hubertus Pingel, am Ende Frau Meyer, auf der Erde die alte Frau Perrey, wir zu Dreien auf der Erde auf einer Matratze: Frau Schinz und ich oben und unten Dorin und die letzte Ecke des Zimmers wurde dann nachts noch von Buttgereit selbst belegt. Für die Familie Perrey fand sich noch ein kleines Zimmer an der Treppe, da lagen: Frau Perrey mit ihren 3 Kindern, der Opa Vogelreuter, Frau Vogelreuter und Tochter und Frau Bremer mit Sohn. — Im Nebenzimmer, etwas größer als das unsere, waren Frau Behrend mit Karin und Brigitte, Frau Bordiert, Frau Hinkel, Frau Wiemers Mutter, Frau Kelch, Frau Hubert mit 7 Kindern, Frau Mombrée mit Helds Kindern. Im Flur lagen: beide Lindenblatts, Frau Wiemer mit Tochter, Frau Buttgereit Ullrichsdorf, Gerda Ureidat mit 4 Kindern, unsere Natascha und die Veronika von Schinz. In der Küche mehrere Polenfrauen mit ihren Kindern. Im Haupthaus unten im Saal ungefähr 30 Personen, darunter der kranke Schipolowski. Oben hatten Schaels 2 Zimmer belegt, eines für die Damen und eines für die Herren (Prangs und Strecker gehörten dazu). Unsere Loler von der Hütung hatten in einem Insthaus Unterkunft gefunden (Kahl, Minge, Gasenzer, Puchner, Nabrotzki in einem Zimmer). Nebenan waren Krämers mit 9 Kindern untergekommen. In der Nacht herrschte große Unruhe. In der Nähe fielen Bomben und es kostete große Mühe, die Frauen wieder zu beruhigen. Erst auf den Ruf von Frau Schinz: „Wenn jetzt nicht sofort Ruhe herrscht, kommt Frl. Loos!“ wurde es still. Frau Buttgereit wagte noch zu fragen: „Sollen wir denn jetzt schlafen?“ —
Montag, den 23. Oktober 1944: 15,4 km bei gutem Wetter getreckt. — Morgens früh ging bei den Frauen wieder das große Schlachten und Rupfen los. — Schipolowski ging es sehr schlecht. Ich ließ anspannen und suchte mir die NSV-Schwester, die ich in Schönefeld fand. Schipolowski konnte nun seine gewünschte Spritze bekommen, aber die Schwester glaubte nicht, daß wir ihn noch weit bekommen würden. Dann mußten wir noch zu Lotte Krämer, die mit einer schweren Angina lag. Beim Pferdetränken sahen wir Liselotte Gruber, die am Tage vorher noch einmal zurückgefahren war; wir hörten dann, wie es in Adamshausen war. Hans Gruber war auch auf Urlaub gekommen, fand zu Hause nichts mehr vor, nur einen eleganten Wagen vor der Tür; ein Pferd fand er bei Rohrmosers und damit kam er seinen Eltern nachgefahren.  —  Gegen Mittag kam dann doch Befehl, wieder weiterzufahren. Wir fuhren über Pentlack—Hochlindenberg nach Klein-Gnie. Wir kamen erst spät an und wurden wegen Unterkunft an das Gemeindehaus verwiesen. Leider war das schon von einer anderen Ortsgruppe besetzt und wir bekamen 2 Krankenzimmer im Gutshaus. Hier konnte ich Frau Gasenzer mit ihrer Kleinen, Frau Behrend und Borchert mit ihren kleinen Kindern, den alten Schipolowski und die alte Mutter von Frau Wiemer unterbringen. Unsere Friedrun hatte ich auf eine Chaise gelegt, um weitere Kranke und Kinder zu holen. Als ich wiederkam, war das Kind weg, die Schwester lachte und sagte mir, daß die Rendantin sich das Kind geholt hätte, es hätte sie so freundlich angelacht und da konnte sie nicht widerstehen. Die Rendantin hatte sagen lassen, wer zu dem Kind gehöre, solle zu ihr kommen und dort übernachten. Als ich das Kind fand, wollten die jungen Mädchen gern das Kind baden und fertigmachen und hatten dabei viel Spaß, und unser Kind bekam dadurch ein frisches Bad und wir ein gutes Bett. Perreys, Padeffkes, Frau Ehmer, Meyers mit Enkelkind hatten dann auch noch Unterkunft im Herrenhaus bekommen. Dann waren noch Kellerräume frei gemacht worden und auch ein Stall — zum Schlafen. Im Krankenzimmer hatte sich dann noch von Trotha mit seiner Schwägerin und Schwiegermutter eingenistet, die Schwester war verzweifelt, aber er blieb. Frau von Trotha und Tochter Walburgis schliefen im Stall. In Klein-Gnie bekamen wir Bescheid, daß wir nicht dahingehören, sondern zurück müssen nach Ortsgruppe Ilmenhorst. — In der Nacht starb Kelchs Fuchs (Pferd!), am Tage vorher war er schon auf der Straße liegen geblieben. — In Klein-Gnie war auch unser Vieh, hier trafen wir mit unsern Treibern zusammen. Leider war schon viel Vieh verschwunden. Unsere frischgekaufte Sterke von Wertheim war auch weg. — Dann war in Klein-Gnie noch versucht worden, die Rosine mit Fohlen zu stehlen. Rosine hatten sie den Schwanz und die Mähne abgeschnitten. Dem Schweizer von Lottermoser war das Pferd vom Milchwagen eingegangen und nun stahl er als Ersatz ausgerechnet unsere Rosine und haute mit ihr ab. Ein Polenjunge kam zu unserm Czarnolewski und machte ihn darauf aufmerksam, daß sein Pferd nicht mehr im Stall sei, und nun wurde gesucht, nirgends zu finden. Der Oberschweizer Müller von Janke spielte dann Gendarm, da kein anderer aufzutreiben war, und verprügelte den Schweizer von Schaumann. Dieser sagte aber trotzdem nicht, wo das Pferd war. Aber der andere Schweizer hatte gemerkt, daß man auf der richtigen Fährte war, band das Pferd an einen Zaun und verschwand, und so bekamen wir das Pferd wieder. —
Dienstag, den 24. Oktober 1944: 17,5 km bei gutem Wetter getreckt. — Schnelles Packen für Dorin und Friedrun. Es ging so mit dem Kind nicht weiter. So wie die Aufnahme in Klein-Gnie war, finden wir sie bestimmt nicht wieder. Dorin nahm nur den Kinderwagen, ihren Rucksack und die Tasche mit den Kinderflaschen. In den Kinderwagen hatten wir das Allernötigste gepackt. Werner brachte die beiden bis Gerdauen; der nächsten D-Zug-Station, das sind von Klein-Gnie gut 30 km. — Sie kamen auch nicht schnell durch, da sie immer links fahren mußten, denn überall waren Trecks und da war das Weiterkommen schwer. Leider mußten sie dann noch bis nachts um 23.30 Uhr auf dem Bahnhof sitzen, ehe der Zug kam. — Das war der letzte D-Zug, der von Insterburg aus fuhr. — Der Treck fuhr um 9 Uhr von Klein-Gnie weg, wieder zurück über Mulk, Schönwies, Blendau nach Ilmenhorst. Dort wurden die einzelnen Wagen auf die Güter verteilt. Wir mußten sehr lange warten, bis der Ortsgruppenleiter von Ilmenhorst kam. Inzwischen kam unser Kreisleiter zu uns mit neuen Anweisungen. Dabei erfuhren wir auch, daß wir noch gar keinen Marschbefehl hatten. Der Kreis Gumbinnen sollte nur bis zur Angerapplinie rücken. Ich fragte ihn, worauf wir noch hätten warten sollen, der russische Panzer war doch schon im Dorf und hätte uns beschossen. Er meinte, wir könnten uns beruhigen, jetzt wäre der Marschbefehl vom Gau da. Auch der Ortsgruppenleiter von Sodehnen, Herr Heisel, kam an uns vorbei und erzählte die Sachen von Nemmersdorf und daß über Sodehnen wohl starke Luftkämpfe wären, aber sonst sei auch noch nichts passiert. — Schließlich kam dann der Ortsgruppenleiter und verteilte uns. Wir kamen alle sehr weit auseinander, so daß wir keine Verbindung miteinander hatten. Wir wurden in Gendern untergebracht, von der Verteilungsstelle 7 km entfernt. Die Aufnahme dort war sehr freundlich, leider nur alles sehr unsauber. Frau Borchert wollte erst gar nicht vom Wagen runter und heulte, sie wolle nach Hause. Aber auch diese Leute kamen dann alle gut unter. — Prangs bekamen ein Zimmer 2×3 m mit einem Bett, einem Waschtisch und 1 Stuhl, ich selbst ein Zimmer 4×4 m mit 3 Betten, 1 Chaise, 1 Schreibtisch, Tisch, Stühle, Schrank und Waschtisch. Aber das Zimmer war unübersehbar vor lauter Kisten und Säcken. Ich ging dann los, um für die Leute zu sorgen. Borcherts und Küssners bekamen eine leere Wohnung und hatten sich da ganz gemütlich eingerichtet, sogar das Radio angeschlossen. Schattner bekam ein Zimmer bei einer sehr netten Frau und Natascha bekam ein Bett im Zimmer dieser Frau. Pusniewskis wohnten bei einer Polenfamilie und Jaroslawski bei Weißrussen. Bis auf Prangs waren alle sehr zufrieden. Als ich zurückkam, war das mir zugewiesene Zimmer vollkommen aufgeräumt. Ein Bett wurde noch in Prangs Zimmer gestellt. Aber leider waren die Betten so verlegen, daß ich in der ersten Nacht nicht schlafen konnte, da alle Federn aus der Matratze noch oben standen. Die nächsten Nächte legte ich mir unsere Matratze darauf und da ging es. — Der Besitzer des Gutes, Herr Hahn und seine Familie waren überaus nett. Werner und ich brauchten nicht zu sorgen, wir waren stets bei Hahns eingeladen. —
Mittwoch, den 25. Oktober 1944: Wir sitzen beim Frühstück, es klopft, Werner kommt von Gerdauen. Er war morgens von Klein-Gnie abgefahren, mittags in Gerdauen, dort bis nachts auf dem Bahnhof und dann über Nordenburg zurückgefahren und uns in Ilmenhorst gesucht. — Werner war so müde, daß er sich gleich hinlegte und bis zum Nachmittag schlief. — Herr Prang war nach Nordenburg gefahren und hatte sich nach Verladung erkundigt. Er kam wieder mit der Nachricht, daß er am nächsten Tag alles verladen könne. — Wir backten noch Brot und packten die ersten Sachen für Dorin, um sie am nächsten Tage mit nach Nordenburg zu geben, denn Dorin hatte für sich nichts mit, nur das, was sie anhatte. —
Donnerstag, den 26. Oktober 1944: Früh um 6 Uhr fuhren Prangs mit allem Gepäck ab. Etwas später rief Herr Janke bei mir an, ich soll um 12 Uhr in Nordenburg sein, um einen Transport zu übernehmen; die Frauen mit Kindern sollen nach Osterode vorfahren. Frau Behrend und Waltraut Küssner wollten gerade nach Hause, um nach dem Rechten zu sehen. Waltraut fuhr nach Lolen und Frau Behrend blieb zurück und packte ihre Sachen. Werner mußte noch nach Insterburg zurück, da er für das zuletzt gelieferte Vieh noch kein Geld bekommen hatte. Ihm war es gar nicht recht, daß ich mit dem Transport weg mußte und ich versprach ihm dann auch, mich nach einem Ersatz umzusehen. Wir fuhren gegen 11 Uhr von Gendern ab. Stanislawa Pusniewski mit dem Heinrich nahmen wir auch mit. Unterwegs kam uns Czarnolewski entgegen; er hatte Prangs weggefahren. Unser Gepäck für Dorin war nicht angenommen worden, er brachte es wieder zurück. Nun fuhr Stacha mit ihrem Hinrik wieder zurück nach Gendern, wollte da sein, wo Mama und Papa waren. — Am Bahnhof Nordenburg fanden wir Prangs mit all ihrem Gepäck vor dem Bahnhof; sie kamen nicht weg, sollten warten, bis der Güterschuppen sich wieder geleert hätte, dann würde wieder frisch angenommen. — Der Flüchtlingszug stand schon fertig zum Abfahren bereit, aber es fanden sich keine Frauen ein, die mitfahren wollten. Wir waren allein, nach 3 Uhr kamen dann noch die Rosenfelder, 2 Familien aus Kleinstangenwalde und noch später endlich auch Schaels mit all ihren Leuten. Alle andern waren zurückgeblieben. Ich bat nun Schaels, den Transport für mich zu übernehmen und fuhr wieder nach Gendern zurück. — Am Abend ruft Janke an, es soll weiter gehen nach Gau Danzig. —
Freitag, den 27. Oktober 1944: 11,9 km bei gutem Wetter getreckt. — Es geht weiter. Um 8 Uhr morgens fahren wir ab. Herr Hahn gab Werner noch Hafer für die Pferde. Auch wurden die Pferde noch beschlagen und wir bekamen auch noch Ersatzhufeisen mit. — Das Fohlen von Rosine behielt Herr Hahn da und wollte es pflegen. Auch der Abschied war hier sehr herzlich. — Es ging über Blendau, Schönwiese, Mulk, Klein-Gnie nach Groß-Gnie. — Dort kamen wir schon gegen Mittag an und bekamen gleich warmes Essen, eine gute Gemüsesuppe. Herr und Frau Gutzeit bemühten sich sehr um uns, aber Quartier war nicht genügend da und wir beschlossen, noch die letzten Kinder und alten Leute mit der Eisenbahn wegzubringen. Ich mußte von Wagen zu Wagen gehen und die Kinder und alten Leute herunterholen, von selbst kam niemand, niemand wollte sich von seinen Lieben trennen. Aber so bekam ich noch 94 Menschen zusammen. Herr Gutzeit stellte 4 große Wagen zur Verfügung und es ging zum Bahnhof Klein-Gnie. Leider hatten wir da kein Glück. Der Zug ließ auf sich warten. Um 5 Uhr sollte er abfahren, gegen 10 Uhr fuhr er. Ich selbst blieb nur bis 9 Uhr; dann mußte ich unbedingt weg, denn die Leute wurden wieder unvernünftig und verlangten, zurückgebracht zu werden. Ich fuhr zurück, fand aber mein mir zugewiesenes Zimmer von andern besetzt und verbrachte die Nacht in einem Schaukelstuhl, aber doch unter Dach. Diesen hatte mir auch Frl. Meyer eingeräumt; sie selbst ging dafür auf ihren Wagen schlafen. —
Sonnabend, den 28. Oktober 1944: 20,5 km bei sehr schlechtem, stürmischem Wetter getreckt. — Um 7 Uhr morgens fuhren wir weiter über Annenwalde, Georgenfeld, Altendorf nach Gerdauen. Diese Fahrt war die schlechteste. Wir mußten Stunden um Stunden stehen. Der Wind trieb so stark, daß sogar unser festes Verdeck wegflog. Als wir in Altendorf vom Wagen gingen, um uns bei einem Bauern etwas aufzuwärmen, wurden wir angefahren, sie hätten nichts anderes mehr zu tun, als hinter den Flüchtlingen das Stroh wegzufegen. Aber wir störten uns nicht daran, sondern wärmten uns trotzdem auf. Die Behandlung war von hier ab sehr frostig. — In Gerdauen selbst standen wir bis zum Dunkelwerden. Als dann endlich die Straße für uns freigegeben wurde, hatten wir kein Quartier. Später fand sich noch eins. Wir fuhren dann weiter durch Gerdauen nach Waldhöhe und kamen dort sehr spät an. Als Quartier war für die ganzen Menschen nur ein Zimmer vorhanden. Auch im Stall sollte nicht geschlafen werden. Wohl gab es noch Erbsensuppe und für die Kranken eine Milchsuppe. Gott sei Dank, hatten wir unsere Kranken und Alten und Kinder nicht mehr bei uns, denn dieser Tag wäre schrecklich für sie gewesen. — Die Wagen waren sehr verwaist. — Aber es wurde auch immer kälter und der erste Schnee fiel, alles war naß geworden. —
Sonntag, den 29. Oktober 1944: 22,4 km getreckt, ab und zu Regenschauer. — Von Waldhöhe Abfahrt wieder um 7 Uhr morgens. Diese Fahrt ging gut vonstatten. Es ging über Dietrichsdorf, Honigbaum nach Schippenbeil. Hier mußten wir auf dem Sportplatz in Reih und Glied Aufstellung nehmen, da hier zum erstenmal die ganze Ortsgruppe zusammengekommen war. Werner war mit Herrn Janke und Frl. Meyer nach Lolen gefahren, um noch Planen zu holen, die uns vor der Nässe schützen sollten. — Abends kamen sie wieder und wußten viel von Lolen zu erzählen. Werner hatte sich mit 6 Planen bis zum Dorf abgeschleppt, legte sie dann hin, um nach dem Auto zu sehen und als er wieder zurückkommt, ist alles verschwunden. Inzwischen war Steege-Großstangenwalde vorbeigekommen und hatte alles aufgeladen. — Auf unserem Hof waren Soldaten. Der Pferdestall hing voll geschlachteter Schweine und sonst war auch schon so ziemlich alles abgeschlachtet worden. — Schaels Möbel waren alle aus dem Hause gebracht und im Schauer untergestellt, das Haus war als Lazarett eingerichtet. Auf dem Schulhof in Ullrichsdorf lagen tote deutsche Soldaten, da der Schulraum selbst noch nicht freigemacht war. Frl. Meyer sagte, der Anblick wäre schrecklich gewesen. Werner sprach überhaupt nicht darüber. — Wir fanden in Schippenbeil Unterkunft in einer Schule, auch wurde da für uns gekocht. Mittags gab es eine gute Kohlsuppe, abends Grützsuppe mit Rindfleisch und als sie alle war, belegte Brote und Kaffee. Wir Loler hatten ein Klassenzimmer belegt und schliefen da sehr gut. Der Aufenthalt draußen war schlecht, da es dauernd naß von oben kam. Unsere Pferde erhielten dort Hafer zugeteilt. —
Montag, den 30. Oktober 1944: 19,2 km bei trübem Wetter getreckt. — Es sollte um 7 Uhr von Schippenbeil abgehen; leider bekam über die Hälfte unserer Leute keinen Kaffee, da in der Schule erst später gekocht werden sollte. Es gab Brote mit Butter und Marmelade und Kaffee. Wir fuhren nun über Falkenau, Gr. Schwanfeld nach Plausen, eine rein katholische Gegend, überall Heiligenhäuschen. Auf dem Kirchturm von Falkenau waren 8 Storchennester. — In Plausen wurden wir alle auf die einzelnen Höfe verteilt. Wir kamen bei einem Bauern Schwark, der etwa 200 Morgen bearbeitete, in Quartier. Perreys, Puchners und Kidschuns fuhren mit uns auf. Hier stand für uns alle ein Zimmer zur Verfügung. Wir kochen für uns allein und die Menschen sind gut zu uns. Kidschuns haben sich von uns beim Kochen getrennt und kochen allein; alle andern kochen gemeinsam. Küssners backten hier auch Brot. —
Dienstag, den 31. Oktober 1944: Heute wurde ein Ruhetag eingelegt. Die Pferde wurden beschlagen, Räder aufgezogen und alles Nötige erledigt. Die Frauen stopfen und flicken und erzählen die schönsten Geschichten. Niemand ist betrübt, es ist alles so selbstverständlich. Nur Kidschun benahm sich hier ziemlich zänkisch, so daß niemand mehr mit ihm zusammen untergebracht werden wollte.   —
Mittwoch, den 1. November 1944: 20,9 km bei leichten Regenfällen getreckt. — Abfahrt morgens um 6.30 Uhr zum Dorf; dort schloß sich alles an und es ging über Gerthen, Prositten nach Frankenau. In Frankenau Verteilung. Ein Teil Loler, Meyers, Schinz und die ganze Hütung und wir kamen zu einem Bauern Koll, Fehlau zu Frankenau gehörend. Es war keine Unterkunft für Pferde, auch nicht für die Menschen zu haben. Wir mußten uns erst Herrn Janke holen, um alles zu bekommen. Die Pferde wurden in einem Schauer untergebracht, Heu gab der Bauer ja dann und Hafer wurde von der An- und Verkaufsgenossenschaft in Frankenau geholt. Für 61 deutsche Menschen bot man ein Insthaus an, das vollkommen versaut war. Wir schickten nachher die Polenfamilien dahin, um für sie Unterkunft zu haben. Die 61 Deutschen standen in einem kleinen Zimmer hinter der Küche (Durchgang zum Polenschlafraum). Die Frau, die sich hätte sprechen lassen, wurde von einer dort schon länger untergebrachten Flüchtlingsfrau verdrängt, die fand, daß das Insthaus ja für uns da sei, sie selbst wäre eine höhere Beamtenfrau und hätte 5 Zimmer mit Zentralheizung (Frau Drellwitz o. ä.). Schließlich konnten wir von dem Bauernehepaar doch noch ein Zimmer bekommen, wenn auch nicht genügend Sitzgelegenheit, aber wir waren mit allem zufrieden und daß wir wenigstens für die Nacht ein Strohlager haben müßten, mußten wir den Leuten auch erst beibringen. Wir haben uns das Stroh selbst hereingeholt und haben die Stuben auch wieder besenrein verlassen. Mit dem Essen klappte es auch nicht. Auf meine Anfrage am frühen Nachmittag kam Bescheid, daß wir um 4 1/2 Uhr Suppe bekommen könnten. Als der geschickte Wagen gegen 6 Uhr noch nicht zurück war, rief ich an und bekam die Antwort, wenn wir nicht bis 7 Uhr warten könnten, dann sollten wir kommen und selbst kochen. Diesen Bescheid gab mir die Frauenschaftsleiterin von Frankenau persönlich. Mein Anruf hatte aber trotzdem Erfolg; denn trotz dieser Antwort wurde uns das Essen sofort geschickt. —
Donnerstag, den 2. November 1944: 29,2 km getreckt, abends setzte starker Regen ein. Abfahrt von Fehlau, morgens um 6.30 Uhr. Treffen in Frankenau mit der ganzen Ortsgruppe. Vorher hatte Frau Rauter für uns alle für Kaffee gesorgt, was sie auch bei unserer Ankunft am Tage vorher getan hatte. — Die Fahrt ging über Seeburg, Zehnhuben, Alt-Vierzig-Huben, Cronau, Wartenburg nach Leptaien. Hier wieder Verteilung. Wir kommen zu einem kleineren Bauern namens Pollakowski in Kaplitainen. Hier war sehr frostige Aufnahme. Zuerst gab es überhaupt keine Unterkunft, dann nachdem der Bauer hört, daß die Gestapo sich für uns einsetzt, wurde ein Holzschauer für die Pferde geräumt. Für Menschen ist hier kein Platz. Ich klopfe, nachdem sich niemand an uns stört, an eine Tür; die Tür wird zugeschlagen und mir eine andere Tür gezeigt. Hier sagt mir niemand die Tageszeit, auf meine Anfrage nach Quartier werde ich angeschrieen, ob ich nicht sehen könne, daß hier kein Quartier wäre. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Polizei zu Hilfe zu holen. Dort kam gerade der Bürgermeister des Ortes und der Wachtmeister bedeutete ihm, daß er bei der Verteilung pünktlich zur Stelle sein müsse. Der Bürgermeister war der Ansicht, daß die Flüchtlinge erst zu ihm ins Dorf fahren sollen, dann können sie da verteilt werden. Der Wachtmeister sagt: „Und die Leute, die hier oben hin müssen — fahren eben zurück“ — aber da gab der Wachtmeister dem Bürgermeister Bescheid: „Also der Ansicht sind Sie! So denken Sie über Flüchtlinge!“ Der Bürgermeister wurde nun mit uns geschickt, um für uns ein Zimmer freizumachen. Unterwegs schwenkte er ab und sagte, er komme gleich hinterher. Leider hat sich der Bürgermeister nicht um uns bemüht. Wir standen bis zur Dunkelheit frierend auf dem Hof, bekamen auch nichts Warmes zu trinken. Werner und ich schliefen dann auf dem Wagen. Die andern bei den Pferden. In der Nacht setzte ein starker Regen ein. Wir wurden auf dem Wagen ganz naß. Ich legte nachher über die Betten ein Wachstuch und fing das Wasser im Eimer auf und bekam einen halben Eimer voll, aber trotzdem ist alles durch und durch naß. Selbst die Koffer waren aufgeweicht. —
Freitag, den 3. November 1944: 35,6 km getreckt bei trübem Wetter. — Abfahrt vom ungastlichen Hof um 6 Uhr früh. Der Bauer Konrad Pollakowski in Kaplitainen gab Frau Borchert den guten Rat, zu dem zu gehen, der den Krieg angezettelt hat. — Auch am Morgen vor der Abfahrt gab es nichts Warmes. Nun ging es weiter über Kaplitainen, Fitigsdorf, Allenstein, Deuthen, Nagladden, Dietrichswalde, Podleiken. Dort war wieder Verteilung. Wir mußten noch ca. 2 km weiter nach dem Vorwerk Dorotheenthal. Hier lagen dann die Loler, Ullrichsdorfer und Kleinstangenwalder. Ein Gutshaus war hier nicht, sondern nur 2 große Insthäuser. Aber hier waren die Menschen schon wieder freundlicher. Sie ließen Kaffee kochen und gaben auch so viel wie möglich Nachtquartier, aber leider genügten die beiden Häuser nicht für so viel Menschen und viele mußten sich in Stall und Scheune ein Plätzchen zum Schlafen suchen. Ich lag wieder auf dem Wagen, leider war alles naß, auch die Pelzdecke und ich konnte dadurch nicht warm werden, auch nicht schlafen. Aber die Pferde hatten es gut. Unsere standen in der Scheune am Haferstroh und konnten sich satt fressen und andere Pferde standen am Klee. Leider bekamen 3 von unsern Pferden Kolik. Borchert kam Werner schon früh rufen mit der Nachricht, eines von unsern Pferden sei tot. Es war aber lediglich in dem dicken Stroh nicht hochgekommen. — Später wurde auch noch die neue braune Stute krank.
Sonnabend, den 4. November 1944: 27,2 km bei gutem Wetter gefahren. — Abfahrt von Dorotheental wieder um 6 Uhr morgens. Treffen an der Kreuzung Podleiken. Jetzt ging es über Hohenstein nach Kunchengut. Diesen Weg machte Frau Steinwender mit ihrem Fahrrad hinter unserem Wagen mit. Sie kam mit uns, weil sie Malheur an einem Wagen hatten und Frau Kallweit vom Wagen gestürzt war und eine schwere Kopfwunde hatte, mußten sie in Nagladden liegen bleiben. Sie fuhr bis Hohenstein mit, um zu wissen, wo wir verteilt werden, um dann ihre Wagen dahin nachzuholen. Diese Fahrt war sehr kurzweilig, weil ich nun immer eine Unterhaltung hatte. Ich wußte da noch nicht, daß dies der Abschied von Frau Steinwender sein würde. — In Kunchengut und Paulsgut sind nun alle Loler untergebracht. — Wir in Kunchengut. — Unsere Pferde mußten auf 3 Höfen untergebracht werden. — Wir selbst sind mit 2 Wagen und 7 Pferden auf einem über 500 Morgen großen Hof bei einer Frau Birkhof, deren Mann vor 4 Wochen gestorben ist, sehr gut untergekommen, ebenfalls Borcherts und Küssners beim Nachbarn Hensel mit 4 Pferden und 2 Wagen. Pusniewskis mit einem Wagen und 4 Pferden beim Bauern Gorny. Hier sollte auch Jaroslawski untergebracht werden; leider ist es da so eng, daß diese bei einer Instfamilie von Birkhof untergebracht wurde, wo auch Czarnolewski und Natascha schlafen. Die Ausländer sollen später zusammengefaßt und dann untergebracht werden. —
Sonntag, den ß. November 1944: Wir haben das erstemal wieder in einem Bett geschlafen. Alle haben es nicht so gut getroffen und mußten sich ein Strohlager machen. Abends noch ein kleiner Zwischenfall. Frau Ullrich aus Mixeln wird nach hier überwiesen. Sie ist unterwegs hängen geblieben und kommt erst jetzt. Hier im Dorf ist keine Unterkunft; sie soll zu einem Abgebauten. Werner verspricht Vorspann, aber Frau Ullrich kann einfach nicht mehr weiter, Wagen und Pferde bleiben hier und die Menschen werden im Schulhaus untergebracht. Am Morgen gibt Werner Vorspann. —
Montag, den 6. November 1944: Frau Ullrich ist weg, kommt aber um 10 Uhr wieder zurück ins Dorf, da die angewiesene Unterkunft zu klein ist. Nachmittags erst fahren sie alle wieder zu ihrem hier zuständigen Dorf. Inzwischen ist hier ein Telegramm eingelaufen: an Frau Minge, Kind, das Frau Kallweit mitgebracht hat, liegt im Sterben. Frau Minge sagt: „Mein Kind habe ich nicht Frau Kalweit gegeben, das ist Lewers Kind!“ Nun fahren 2 heulende Frauen nach Osterode zum Krankenhaus. Aber es war doch Minges Junge. Frau Kalweit hatte sich darum gekümmert, weil die Schwester von Frau Minge es nicht tat. Das Kind wurde aber wieder gesund. — Abends kamen dann die Frauen mit Kindern nach hier, die vorgefahren waren: Frau Gasenzers, Frau Minges und Lewers Kinder. —
Dienstag, den 7. November 1944: Frau Puchner und Frau Kallweit mit Kindern kommen von Osterode. —
Mittwoch, den 8. November 1944: Es kommt Bescheid, die Männer müssen zum Volkssturm nach Lolen. Werner ist Zugführer und muß alle einberufen. Es gibt für uns Arbeit. —
Donnerstag, den 9. November 1944: Besprechung mit den Gruppenführern. —
Freitag, den 10. November 1944: Werner und ich fahren nach Hohenstein, ich, um Besorgungen zu machen und Werner weiter nach Königsgut und den anderen Dörfern, um den Volkssturm zusammenzubekommen. In Hohenstein treffe ich zuerst Frau Schmorgor, die mir von dem Tode ihrer Mutter berichtet, die sie am Mittwoch in Osterode beerdigt hat. Dann treffe ich Herrn Buttgereit-Ullrichsdorf, der mir sagt, daß gerade heute Frau Wiemers Mutter in Osterode beerdigt wird. Beide alten Mütterchen haben die Fahrt nicht überstanden. Viele andere sind im Krankenhaus und einige ins Altersheim gekommen. Die Kinder haben wir nun alle bis auf Minges Jungen zurückbekommen. Der kleine Minge wurde heute ins Reich verschickt, ohne der Mutter zu sagen, wohin. —
Sonnabend, den 11. November 1944: Früh 4 1/2 Uhr Abfahrt aller Männer nach Hohenstein. Frau Behrend fährt auch mit. Ich fahre bis zum Bahnhof mit, um noch für Dorin Gepäck aufzugeben. Nachmittags um 4 Uhr muß ich schon wieder nach Hohenstein, da neue Flüchtlinge kommen sollen, die in Hohenstein verteilt werden sollen. Es kamen aber nur die Rosenfelder und wir konnten mit 2 Wagen leer zurückfahren. —
Sonntag, den 12. November 1944: Frau Kahl, Kalweit, Lewer, Minge fahren nach Lolen, um noch zu retten, was zu retten ist und um vor allem zu sehen, ob es noch etwas zu schlachten gibt. Sie wurden beim Volkssturm gut aufgenommen. —
Montag, den 13. November 1944: Alle Frauen, auch Frau Behrend kommen zurück. Frau Behrend bringt mir 2 Hähnchen, Frau Lewer Hammelfleisch und Frau Kahl auch Hammelfleisch. — Und Frau Kahl bringt mir die traurige Mitteilung, daß Frau Steinwender verunglückt ist; Werner hat es bestellen lassen. Frau Steinwender soll auch so gewesen sein und beim Wegfahren mit ihrem Rad zwischen 2 Autos gekommen sein. Die armen Eltern, die so ihr Einziges hingeben müssen, und der Mann ist in amerikanischer Gefangenschaft. —
Dienstag, den 14, November 1944: Wieder nach Hohenstein mit Schipolowksi und Frau Müller zum Arzt. Schipolowski bekam seine Spritze, aber Frau Müller bekam keine Überweisung zum Krankenhaus; nun müssen wir sehen, was wir machen. Wir fuhren dann weiter nach Paulsgut zur NSV, um uns Rat zu holen, bekamen einen Schein, daß hier in Kunchengut ein heizbares Zimmer für sie freigemacht werden müßte.   
Mittwoch, den 15. November 1944 und Donnerstag, den 16. November: nichts Besonderes. —
Freitag, ?den 17. November 1944: Ich gehe früh zum ?Bürgermeister und werde wieder von Na?tascha weggeholt, Frau Marks ist da, schnell? nach Hohenstein fahren. Und sie war wirk?lich schon in Hohenstein. Leider spannten ?die Leute mir die Braune und den Schimmel? an, die nicht scharf beschlagen waren, es? hatte gefroren und ich kam mit den Tieren ?nicht weiter, mußte wieder umkehren und? andere Pferde nehmen. So mußte Dorin fast ?2 Stunden auf mich warten. — Und wir ?kamen erst gegen Mittag in Kunchengut an. —
Sonnabend, den 18. November 1944: Früh mit dem ersten Zug nach Insterburg. Der Gummiwagen brachte 9 Frauen hin, denn als die Frauen hörten, wir fahren nach Hause, wollte alles mit und es war auch angenehm so, denn die Frauen sorgen rührend für uns. Dorin kam im Zug auf den klugen Gedanken, sich in Insterburg ein Fuhrwerk zu besorgen. In Alleinstein hatten wir längeren Aufenthalt, so daß sie von dort telefonieren konnte. Ihr Freund sagte ihr auch gleich alles zu. Gegen 1 Uhr waren wir in Insterburg. Gleich zu Kurschat. Da stand der Wagen für uns schon bereit, auch ein Pelzmantel, da Dorin am Telefon gesagt hatte, daß ich nur einen Wintermantel anhätte und so ging es schnell los nach Lolen. Die andern Frauen standen noch in Insterburg und warteten auf ein Militärauto, das sie weiterbefördern sollte. Frau Kahl nahmen wir dann noch mit auf unsern Wagen. Mehr Platz hatten wir leider nicht. — An der Front war es an diesem Tag sehr ruhig. Die Flak schoß nur ein paarmal nicht angenehm über unsere Köpfe und wir glaubten schon Deckung nehmen zu müssen, aber wir kamen gut durch. In Lolen hat der Volkssturm die Insthäuser besetzt. Im ersten Haus stand Werner am Fenster. Er guckt, sieht das bekannte Pferd, den bekannten Wagen und, wie er sieht, wer da oben sitzt, da kommt er raus. Kahl denkt, was fällt dem Marks ein, der rennt ja so und er hinterher und bekam nun auch seine Frau vorgesetzt. — Wir mußten dann noch schnell beim Volkssturm Mittag essen und fuhren dann mit Werner weiter nach Grünheide. Da sah es furchtbar aus, aber man hatte es uns ja schon erzählt. Schnell wurden die Öfen angemacht, damit wir da schlafen konnten, denn Pelzdecke und Pelzmäntel hatten wir zum Zudecken und ich fand oben noch ein Oberbett. Aber gefroren haben wir ordentlich, es wollte trotz allem nicht warm werden. —
Sonntag, den 19. November 1944: Zu Hause in Grünheide! Schnell aufgestanden, alles bei Licht besehen, schnell noch einen Teil vergraben, anderes wird eingepackt. Frau Kahl kam schon früh, sie und Werner schlachteten noch eine Pute und 2 Hähnchen, mehr waren nicht. Aber noch 40 Hühner hatte Werner zusammengetrieben und eingesperrt. Unterwegs fiel uns dann noch alles Mögliche ein, was wir hätten tun können. Gegen 11 Uhr fuhren wir wieder von Grünheide weg. In Lolen bekamen wir Mittagessen und nun ging es zurück nach Insterburg. Um 3 Uhr nachmittags waren wir in Insterburg, lieferten unsern Wagen ab und fuhren nach Hohenstein, wo wir gegen 12 Uhr eintrafen. Czarnolewski holte uns ab und hatte gut für uns gesorgt. Alles mitgebracht, wir brauchten auf der Fahrt nicht zu frieren. —
Montag, den 20. November 1944: Dorin und ich gingen nach Paulsgut alle Loler besuchen. —
Dienstag, den 21. November 1944: Schipolowski mußte wieder zum Arzt. Dorin gab ihr Gepäck auf. Leider war das wieder zu schwer und wurde nur als Eilgut angenommen. Von den andern geschickten Sachen hat sie noch nichts bekommen und immer noch das an, womit sie von Klein-Gnie abgefahren ist. Dorin und ich wollten so gerne zum Ehrenmal (Tannenbergdenkmal), aber es regnete so stark, daß wir es vorzogen, wieder nach Hause zu fahren. Mittag waren wir bei Birkhofs zum Essen eingeladen. —
Mittwoch, den 22. November 1944: Dorin mußte wieder zurück zu ihrer Friedrun. Die schönen Tage waren zu Ende, d. h. für mich, nun muß ich wieder allein bleiben. Abends 18.48 Uhr fuhr Dorin mit dem D-Zug über Alleinstein nach Freienwalde. —
Donnerstag, den 23. November 1944: Mit Frau Kahl und Frau Lewer nach Paulsgut zur NSV einen Geflügelschein holen, ich bekam ein Huhn. —

Freitag, den 24. November 1944: Besuch von Herrn Buttgereit und Frau.“