Stadt und Kreis Gumbinnen im Siebenjährigen Krieg (1756—63)
von Dr. phil. Rudolf Grenz
Die Zeit des Siebenjährigen Krieges war für die ganze Provinz Ostpreußen eine Schreckenszeit. Bereits im 2. Kriegsjahr sehen wir die russische Armee unter Apraxin auf ostpreußischem Boden vordringen. Nächst Entgegennahme der Unterwerfung des Städtchens Stallupönen wendet sie sich gegen Gumbinnen. Über die Ereignisse, die nun eintreten, haben wir für Gumbinnen das Glück, über Tagebuchnotizen zu verfügen, die der Pfarrer Friedrich Pastenaci anlegte.
Friedrich Pastenaci ist am 27. August 1718 zu Styrlack geboren (Gr. Stürlack, Kr. Lötzen), seit 1746 Prediger bei der Hospitalkirche der Salzburger in Gumbinnen, gestorben am 11. April 1770.
Die für uns wichtigen Eintragungen in dem Tagebuch beginnen mit dem 1. August 1757. Wir lassen den Wortlaut folgen, der uns recht lebendig und unmittelbar anspricht:
„Den 1. August. Weil jetzt die Feinde der Stadt Gumbinnen schon ganz nahe waren, so gieng der Bürgermeister Zimmermann mit dreien Bürgern dem Feld-Marschall von Apraxin nach Stallupönen entgegen, um Ihm die Stadt zu unterwerfen und die Plünderung abzuwenden.
Den 4. August kam der Bürgermeister Z. mit der Versicherung zurück, daß der Stadt kein Leid wiederfahren sollte; auch mußten zwei Fleischer zur Rußischen Armee geschickt werden, welche dieselbe führen sollten. — Gegen Abend wurde die ganze Stadt in die äußerste Bestürzung gesetzt, weil man Nachricht davon erhielt, wie grausam die Kosacken die Geistlichen in Zirgupoenen (Szirgupönen, unweit der Landstraße von Stallupönen nach Gumbinnen im Gumbinnenschen Kreise gelegen) behandelt hatten. Auf dieser Nachricht flüchtete daher auch alles, was noch bis jetzt Stand gehalten hatte, aus der Stadt; selbst aus dem Magistrat gingen der Stadtrichter Kurella und der Stadtkämmerer Schultz gleichfalls weg. Die Prediger aber, (1. Erhard Wolff, 1736 bis zu seinem Tode 1759 Pfarrer bei der Stadtkirche in Gumbinnen. 2. Otto Gottl. Fiedler, 1751—58 Diakonus bei der Stadtkirche in Gumbinnen, 1758 bis zu seinem Tode 1784 Erzpriester in Ragnit. 3. Friedrich Pastenaci von der Salzburger Hospitalkirche, der Verfasser dieses Tagebuchs), die übrigen Magistrats-Personen, und wenige Bürger blieben zurücke.
Den 5. Weil man aufs gewißeste benachrichtiget war, daß die Rußische Armee diesen Tag durch die Stadt marchiren würde, so giengen (um 2 Uhr des Morgens), der Postmeister, die Accise-Bedienten, der Magistrat und die Prediger vors Thor hinaus, um sich zu unterwerfen, und um Gnade zu bitten. Das Geschrei der Kommenden war schon von weitem zu hören. Bald nach 3 Uhr ließen sich die ersten Kosacken sehen. Ihre langen Piquen gliechen einem deichten Walde. Dieser Anblick war fürchterlich. Sie marchirten grade durch das Sommer-Getraide, und schickten viele kleine Commandos aus, die eine Seite der Stadt zu recognosciren. Zu gleicher Zeit sähe man einen großen Schwärm derselben zur linken Hand durch das Dorf Norißaczen (Norutschatschen, später zu Gumbinnen eingemeindet) eilen, um die andere Seite der Stadt gleichfalls zu untersuchen. Eine große Anzahl derselben kam aber gerade auf die Stadt, und die ihnen entgegen gegangene geängstigte Einwohner derselben zogen sich nach dem Thore zurück, und blieben an demselben stehen. Auf die Annäherung der Kosacken neigten sie sich zur Erde und riefen um Gnaden. — Hierauf ritt Einer aus dem Trupp heraus, und frug, ob jemand vorhanden wäre, der polnisch sprechen könnte. Der Hospital-Prediger Pastenaci antwortete ihm, daß er dieser Sprache kundig sey. — Der Kosacken-Officier frug hierauf: ob Preußische Husaren in der Stadt wären. Man antwortete ihm: Nein. Er frug weiter: wann selbige zuletzt in der Stadt gewesen wären. — Hierauf gab man ihm zur Antwort: es seyen schon mehr als 10 Tage verfloßen, da man keinen in der Stadt gesehen. Nun erkundigte er sich, wo sie denn wohl eigentlich wären, und hierauf wurde ihm erwiedert: das wüßte Niemand, doch hätte man gehört, daß 2 Meilen von der Stadt in einem Walde sich einige sehen ließen. (Es mußte dieses gesagt werden, weil der Bürgermeister Zimmermann solches bei seinem Verhör in Stallupönen ihm berichtet hatte.) Jetzt frug er nochmals: ob er ganz sicher in die Stadt reiten könnte, welches ihm dann theuer versichert wurde.
Der Hospital-Prediger flehte nun abermahls um Gnade für die Stadt, worauf der Kosacken-Officier seinem Pferde ein Haar auszog und sagte:
,Ich bin der commandirende Obriste dieses Pulks, es soll euch nicht so viel Leids geschehen, als dieses Haar beträgt.‘ — Er schickte auch sogleich einen Officier zurück, welcher allen nachkommenden Kosacken und Kalmücken andeuten mußte, daß denen am Thor stehenden Leuten kein Schaden zugefügt werden sollte, auch sollte ein jeder grade zu durch die Stadt reiten, und sich gar nicht aufhalten.
Kaum war aber dieser Obriste in der Stadt, so fuhr ein Kosacke mit seiner Pique den noch am Thor stehenden Predigern nach den Köpfen, so daß sich selbige genöthigt sahen, zurück zu weichen. Und die ändern schrieen ihnen zu: ,Wir kommen, wir kommen nach eurem Blute‘, welches wüste Geschrei ein bald darauf hinzugekommener Mann, der Rußisch verstand, ihnen erklärte. Es blieben auch 15 bis 20 Kosacken zurück, welche sich hinter das daselbst stehende Holz versteckten, und Willens waren, die um Gnade bittenden Gumbinner zu plündern. Allein, Gott der Herr, hatte sie einmahl in seinen Schutz genommen, und so mußte ihnen kein Leids geschehen. Denn eben als sie aus ihrem Hinterhalt hervorbrachen, ihr gottloses Vorhaben auszuführen, kam aus der Stadt ein Kosacken-Officier, der sie mit vielen Schlägen und Scheltworten zusammen trieb und zu den übrigen brachte.
Die Furcht, welche der Kosacken-Obriste und die ersten Kosacken für die Preußische Husaren am Thor bezeigten, konnte man aus ihren Reden und zitternden Geberden zur Genüge abnehmen. Kaum waren sie aber durch die Stadt, so plünderten sie alle benachbarte Dörfer, und erschoßen einen Hirten-Jungen, der das Vieh wegtreiben wollte.
Den Kosacken folgten zwei Regimenter Husaren. Hierauf Dragoner, reitende Grenadier, und Küraßierer. Sodann ein großer Schwärm Kalmücken, unter welchen sich ein vernünftiger und guter Officier befand, der mit den am Thor stehenden Predigern und ändern lange Polnisch redete, und ihnen zum Schütze diente. — Nach diesen kamen wieder zwei Regimenter Husaren, viele Dragoner, Grenadier und Küraßierer; ferner einige nackte Kalmücken, die ein gräßliches Geschrei machten. — Ein Dragoner-Officier kam zu denen vor dem Thor stehenden Supplicanten, welcher mit ihnen lange Zeit lateinisch redete, da unterdeßen viele Regimenter vorbei marchirten. Nach 9 Uhr kam endlich deren Chef commandirende General von Liewen, welcher die Prediger, den Magistrat und alle andere ganz gnädig empfing, ihnen die Versicherung gab, daß er in der Stadt bleiben, und sie für die Kosacken schützen würde, auch zugleich andeutete, daß sie nach Hause gehen könnten, weil der Feld-Marchall von Apraxin erst morgen kommen werde.
Im Thor wurde dem Hospital-Prediger noch von einem Kosacken die Pique auf die Brust gesetzet, mit dem Bedeuten, daß er Geld verlange, worauf jener 4 Achtzehner herfürlangte, und ihn damit befriedigte.
Den 6. In der Nacht hauseten die Kosacken in allen um die Stadt liegenden Dörfern sehr übel, plünderten alles rein aus, nahmen Vieh und Pferde weg, und schlugen die Leute fast bis auf den Tod. — Die vorbenannten Personen giengen diesen Morgen wieder um 2 Uhr vors Thor. Die Rußische Armee war bald darauf zu sehen. Ein großer Schwärm Kalmücken marchirte voran, welchen verschiedene regulaire Regimenter folgten.
Nach einigen Stunden kam der General-Major von Weymar, welcher die Ihm entgegen gehende Herren ganz freundlich grüßte und frug: ob es in der Stadt noch wohl stände. Man antwortete Ihm: Ja, Gottlob. — Er sagte hierauf: Gottlob, das ist mir lieb zu hören. Auf den Dörfern haben die Kosacken und Kalmücken übel gewirtschaftet, solches kann ferner nicht gestattet werden. Wir haben Ordre, das Land aufs beste zu schonen.
Gegen 10 Uhr kam endlich der General-Feld-Marchall von Apraxin von vielen Generals und hohen Officiers begleitet. — Der Magistrat und die ändern Herren unterwarfen sich ihm, und baten um Gnade und Schutz, worauf selbiger ganz ernsthaft antwortete: so viel als möglich seyn wird. Hierauf ritte Er in die Stadt, und ein jeder begab sich nach Hause. — Bald darauf kam ein großer Zug von vielen großen und kleinen Kanonen, viele Wagens mit Geld und Bagage, auf welche das Regiment des Thronfolgers, das aus 3000 Mann bestand, und für das schönste gehalten wurde, folgte. Das Lager war gleich hinter der Stadt auf dem Sommerfelde, wodurch alle zu hoffende Früchte vernichtet wurden.
Nachmittag um 6 Uhr gingen sämtliche Prediger ins Lager, um wegen des morgenden Gottesdienstes zu fragen, ob selbiger, wie gewöhnlich, gehalten werden könnte. Der General-Major von Weymar stand vor dem Zelt des Feld-Marchalls, und redete mit dem Pfarrer aus Zirgupoenen (= Szirgupönen). Er wandte sich hierauf zu der Gumbinnschen Geistlichkeit und fragte selbige, was ihr Begehren wäre? — Sie antworteten: daß sie Ew. Excellence den Feld-Marchall von Apraxin unterthänig antreten, und anfragen wollten, ob sie den morgenden Gottesdienst, wie vorhin, verrichten könnten? Ferner, da die Trauer wegen des Todesfalles Ihro Majestät der Mutter des Königs von Preußen angefangen worden, ob man damit fortfahren sollte? — (Es mußte alle Tage eine Stunde geläutet und in den Kirchen keine Orgel gerühret werden.)
Sie baten drittens: daß wenn die Armee weiter fortrücken würde, ob es Ihro Excellence nicht gefällig seyn möchte, wegen der Grausamkeit der irregulairen Truppen, eine kleine Besatzung von regulairer Militz in der Stadt zu laßen.
Auf das erste antwortete der General-Major v. W.: daß in dem Gottesdienst keine Änderung geschehen würde, da die Religions-Freiheit in allen Rußischen Provinzen Statt fände. —
Wegen des zweiten glaubte Er, daß Sr. Exellence, der Herr Feld-Marchall kein Bedenken finden würde, die Trauer im Lande zu gestatten, da es eine hohe und verehrungswürdige Königinn gewesen, die mit dem Rußischen Hofe eine beständige Freundschaft unterhalten.
Für das dritte endlich wäre schon gesorgt, und würde der von Ihro Kaiserlichen Majestät bestallte Landes-Hauptmann von Litthauen mit einem Regiment Fuß-Völker in der Stadt bleiben.
Hierauf gieng Er ins Gezelt des Feld-Marchalls, von wo Er nach einer kleinen Weile zurück kam, und die den Predigern gegebene Antwort auf obige drei Punkte nochmals wiederhohlte. Er schien ganz bekümmert zu seyn, wegen der großen Aus¬schweifungen und Grausamkeiten der Kosacken und Kalmücken, Er tröstete auch die niedergeschlagenen Prediger mit der Versicherung, daß ihnen und der Stadt kein Leids widerfahren sollte. — Man kann auch gewiß glauben, daß dieser Herr einen rechten Abscheu gegen das Verfahren der Rußischen Armee gehabt habe; wie Er denn auch gegen verschiedene Leute sich vernehmen laßen: daß sie auf diese Weise eben nichts ausrichten, sondern sich vielmehr selbst aufreiben würden. Es war auch das Verfahren dieser Barbaren ganz entsetzlich. In allen Dörfern, wo sie nur hinkamen, wurden die Leute ganz nackt ausgezogen, und alsdann geprügelt und gemißhandelt. Alles suchte daher in den Wäldern Schutz, und in den Dörfern fand man nur hie und da, halbtodt geschlagene Menschen.
Als die Prediger aus dem Lager zurück kehren wollten, sagte der General-Major von Weymar noch zu ihnen, daß sie ihre Predigten so einrichten sollten, daß dadurch die Leute zur Huldigung Ihro Kaiserlichen Majestät, und zum Schwur, der ihnen morgen sollte abgenommen werden, vorbereitet würden. Es sollten auch zu dem Ende die reformierten und der Hospital-Prediger mit ihren Zuhörern in die Lutherische Stadt-Kirche kommen, um den Eid der Treue zu leisten.
Den 7. Dies war der traurige Tag, an welchem unsere arme Stadt den Eid der Treue der Russischen Kaiserin leisten mußte. Frühe des Morgens wurden den Predigern einige gedruckte Edicte und geschriebene Verordnungen zugeschicket, die von den Kanzeln öffentlich abgelesen werden sollten.
Als der Gottesdienst geendigt war, und die Prediger und Zuhörer aus der reformierten Kirche und Hospital sich in der lutherischen Kirche eingefunden hatten, wurde durch den Obristen Gersdorff der Eid laut abgelesen, welchen ein Jeder mit aufgehobenen Fingern nachsprechen mußte.
Den Predigern wurde auch befohlen, das Kirchengebet zu ändern, und für die Kaiserin aller Reußen, für die Kaiserliche Familie, und für den glücklichen Fortgang ihrer Waffen zu beten.
Den 8. Heute gegen Mittag war unter den rußischen Generals und Officieren, die in der Stadt waren, eine große Unruhe und Bestürzung zu spüren. Um 11 Uhr setzte sich der Feld-Marchall von Apraxin zu Pferde, welchem der General Liewen und andere schleunigst folgten. Das Gezelte des Feld-Marchalls wurde abgebrochen, und das Regiment des Großfürsten folgte auf das geschwindeste. Bald darauf erfuhr man, daß ein sehr heftiges Scharmützel, ohngefähr zwei Meilen von der Stadt, im Piecz-kiem’schen (= Pötschkehmen bei Gerwischkehmen) Walde vorgefallen wäre. Die Rußische Avant-Garde war aufgebrochen, und sollte auf Insterburg marchiren. Zwei oder drei Esquadron Preußischer Husaren unter dem Obristen Malachowski trafen auf dieselbe im Walde, und richteten eine entsetzliche Massacre unter ihnen an. — Wie viel Todten die Rußen gehabt haben, hat man nie recht erfahren können. Den folgenden Tag aber wurden sehr viele Bleßirte in die Stadt gebracht, und auf der Neustadt verlegt. Die Zahl derselben kann man nicht eigentlich bestimmen, so viel aber ist gewiß, daß über 800 Bleßirte und Kranke in der Stadt gewesen, von welchen viele der schlechten Pflege wegen gestorben sind. — Dieses Scharmützel hemmete auch die Prahlereien der Rußischen Officiere sehr, die nun gestanden, daß die Preußen kühne Soldaten wären, welche zu überwinden viel Blut kosten würde.
Des Nachmittags geschahen scharfe Executiones. Zwei Litthauer aus dem Dorfe Mikkutelen, ohnweit Kattenau, wurden gehängt. Man beschuldigte sie, daß sie einen verwundeten Rußischen Dragoner auf dem Heuboden getödtet, und hernach heruntergeworfen hätten. Diese armen Leute leugneten das erstere beständig, und erlangten nur so viel Gnade, daß die Prediger zu ihnen gelaßen wurden, die sie zum Tode zubereiteten. Sie starben getrosten Muthes; ihre Körper mußten am Galgen hängen bleiben.
Auf dem Markt in der Stadt bekamen 10 Kosacken die Knute, jeder 30 Hiebe, worauf ihnen die Nasen aufgeritzt wurden. Zween wurden die Ohren und Nasen abgeschnitten, und sie sodann mit den übrigen fortgebracht. Die Ursache ihrer Bestrafung war, weil sie den von den Rußen eingesetzten Amtsinspektor Dresler in Zirgupoenen (Szirgupönen) grausam gemißhandelt und geplündert hatten. Es kann auch seyn, daß der General-Major von Weymar dazu etwas beigetragen hat, um diese gottlose Leute zu schrecken, und sie vom Plündern abzuhalten, wie wohl sie nachhero noch grausamer gewesen sind. Damit aber keine Klagen über sie kommen möchten, so schlugen sie die Leute todt. An eben diesem Tage wurde auch Gerwißkiemen geplündert. Der Pfarrer (Gottfried Ulrich 1755—1808 zu seinem Tode in Gerwischkehmen) und Praecentor hatten sich zu rechter Zeit noch reteriert. Die Kirche wurde aufgebrochen, die Decken vom Altar und der Kanzel weggerißen, und der Boden durchwühlet, wiewohl sie keine Schätze fanden.“
Bald darauf ereignete sich die Schlacht bei Groß-Jägersdorf (am 30. August 1757), die die Lage Ostpreußens verschlechterte; jedenfalls nach dem Verlust der Schlacht gab Friedrich der Große vorläufig die Provinz auf, weil er daran zweifelte, sie auf die Dauer halten zu können.
Pastenaci notiert in seinem Tagebuch: „Den 4. September 1757. Eben, da der Gottesdienst in Gumbinnen angehen sollte, lief ein Schreiben von dem Obristen von Gersdorff aus Tilsit ein, mit dem Befehl, daß ein ordentliches Dankfest wegen des den 30. August erfochtenen rußischen Sieges gehalten, und das Te Deum laudamus angestimmt werden sollte. — Die Prediger baten Gott inbrünstig, daß Er dem Blutvergießen steuren, und uns bald den edlen Frieden aus Gnaden schenken möchte.“
Durch Patent vom 31. Dezember 1757 wurde von der Zarin Elisabeth die Provinz zu russischem Besitz erklärt. Die Bewohner wurden zur Ablegung des Treueides gezwungen.
Gervais berichtet 1818 über die Verhältnisse im Siebenjährigen Kriege zu Gumbinnen:
„In Gumbinnen selbst hatte die Russische Armee ein ziemlich beträchtliches Mehlmagazin errichtet. Dieses hätte sehr leicht die Stadt in eine sehr unglückliche Lage versetzen können. Jeder Einwohner zitterte für die Folgen eines Vorganges, der im Kriege zwar nicht selten ist, aber auch sehr bald die Quelle eines unermeßlichen Elendes werden kann.
Nach der am 20 sten August 1757 beim Dorfe Norkitten, im Fürstlich Dessauschen zwischen der Preußischen und Russischen Armee vorgefallenen Schlacht (gemeint ist die schon erwähnte Schlacht bei Groß-Jägersdorf), erschien ein Preußisches Husarenkommando und zerstörte das Mehl-Magazin. Einige Tage nachher kam ein noch stärkeres Kommando Russischer Husaren, fest entschlossen, aus Rache die Stadt zu plündern und in Brand zu stecken. Ganz natürlich war der Argwohn, daß selbst Gumbinnens Bürger an der Zerstörung des Magazins Theil genommen. Auf dringende Vorstellungen und Versicherungen des damaligen Magistrats, schuldlos dabei zu seyn, entfernte sich auch wieder ganz ruhig dieses Kommando, und die Stadt mit ihren Bürgern blieb verschont.“
Es folgten nun lange Jahre russischer Besatzung; während derselben leistete der Gestütsleiter Domhardt in Trakehnen dem König von Preußen, Friedrich dem Großen, unschätzbare Dienste. Im Jahre 1757 in Gumbinnen zum Regierungspräsidenten ernannt, brachte er mit seltenem Geschick die Stadt und den Regierungsbezirk ohne besonders fühlbare Schäden über die schwere Besetzungszeit hinweg. Als die Provinz nach fünfjähriger Abtrennung Anfang August 1762 durch einen mit der russischen Kaiserin Katharina II. abgeschlossenen Vertrag wieder unter die Herrschaft Friedrichs des Großen kam, konnte Domhardt dem König berichten, dass bei der Gumbinner Regierungskasse trotz Krieg und Besetzung 80 000 Taler erspart worden seien.
Aber auch während des Krieges wusste Domhardt seinen König mit Getreide und Geld zu versorgen, und hinterging geschickt die Besatzungsmacht. In diesem Zusammenhange hatte sich vor allem der Strumpffabrikant Kapeller aus Gumbinnen einen Namen gemacht. Er übernahm während des Krieges einen Geldtransport von 100.000 Rthl. zur Preußischen Armee. Hier geriet Kapeller in große Gefahr, gefangen zu werden. Allein er verlor weder Besinnung noch Mut, rettete sich und seine Geldwagen. Domhardt schenkte ihm daher auch weiterhin Beachtung und empfahl ihn Friedrich dem Großen. Dieser unterstützte ihn mit beträchtlichen Vorschüssen bei Anlegung seiner Strumpffabrik, die für jene Zeiten recht umfangreich war: Neun Stühle beschäftigten sich täglich mit Verfertigung wollener, sechs mit baumwollener, und zwei Stühle mit Verfertigung seidener Strümpfe. Als reicher und angesehener Mann starb Kapeller im März 1793, er, der als 12-jähriger Vollwaise mit den Salzburgern ins Land gekommen war, seine Reise zu Fuß machen mußte und seine geringen Habseligkeiten auf einem Schubkarren transportiert hatte.