Die Geschichte der Stadt Gumbinnen
Das Gebiet des Kreises Gumbinnen und damit auch der Bereich der Stadtfläche gehörte in der Zeit des Deutschen Ordens und in der Herzogszeit (ab 1525) zu Insterburg.
Die Besiedlung erfolgte demnach von Westen her, in die „Wildnis“ hinein. Es ist bekannt, dass der Deutsche Orden bei der Besiedlung des Preußenlandes, ebenso die preußischen Herzöge bei der Erschließung der „Wildnis“ in einzigartiger Weise überlegt vorgingen – man würde heute planerisch sagen -, was gegenüber ähnlichen Vorgängen im Altreich bei Kennern heute noch Bewunderung erzeugt.
Der Name Gumbinnen wurde im Jahre 1550 zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt. Auf der Hennenbergischen Karte (Landtafel) vom Jahre 1576 führt der Ort Gumbinnen, der hier bereits als Kirchdorf eingezeichnet ist, den altpreußischen Namen Bisserkeim, in der zu dieser Karte erschienenen Erläuterung vom Jahre 1595 bringt Hennenberger jedoch die Namensform Pißkeim. Auch im 17. Jahrhundert war der Name Bisserkeim noch gebräuchlich, denn Matthäus Prätorius, der in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts Pfarrer in Niebudszen (Herzogskirch) war, nannte in seiner Preußischen Schaubühne (herausgegeben von Pierson, Berlin 1871), S. 21 den Ort „Gumbinnen oder Bisserkeim“.
Gumbinnen – eine Gründungsstadt
Zur Deutung des Namens Gumbinnen sei darauf hingewiesen, dass es im 17. Jahrhundert im Kreise Stallupönen bei Bilderweitschen eine Ort gab, der sich „Gumbien (auch Gumbinn) oder Skardupönen“ nannte. Dieser Ort lag, wie sein zweiter Name sagt, an einem Fluss (upe = Fluss). Es ist also anzunehmen, dass die Erklärung des Wortes Gumbinnen, von litauisch „gumbas“ = die Krümmung, die des Flusslaufes der Pissa bei Gumbinnen ausdrückt und die folgerichtige Deutung des Namens darstellt.
Um aus dem Dorf Bisserkeim (Kehmen) die Regierungshauptstadt Gumbinnen werden zu lassen, bedurfte es besonderer Impulse. Die Stadt als Raumwesen, als geografisches Individuum, ist in ihrer Entwicklung nicht allein der Natur, sondern auch von dem menschlichen Willen abhängig, der in diesem Falle der Stadt als Organismus Auftrieb gibt.
Dabei wurde in Gumbinnen – vom Dorf zur Stadt – die Kulturlandschaft neu gestaltet. Außer der Lage der Kirche, die man beibehielt, brachte das „Retablissement“ Friedrich Wilhelm I. eben eine neue Stadt. Somit zählt Gumbinnen hinsichtlich der Typisierung von Siedlungen nicht zu den aus alten Wurzeln gewachsenen, sondern zu den planmäßig gegründeten Städten.
Der Grundriss zu verschiedenen Zeiten
Der besondere Zug einer preußische Kulturlandschaft wir schon im Grundriss der Stadt deutlich, und das nicht nur in Gumbinnen. Der Unfriedt-Plan (der Stadtplan) als Stadtplan der Stadt Gumbinnen geht auf den Baumeister Friedrich Wilhelm I., Oberlandbaudirektor Joachim Ludwig Schultheiß (Scultetus) von Unfriedt (geb. 1678, gest. am 10.06.1753 in Königsberg Pr.) zurück.
Wie bei den meisten friderizianischen Städten des nordöstlichen Ostpreußens bildet der große Marktplatz den Mittelpunkt der Stadt, auf dem sich nach der Stadtwerdung (1724) das Conferenz-Haus (1724), später die Alte Regierung erhob. Von hier gingen im Zuge der Landstraßen – die Chausseen entstanden erst später im 19. Jahrhundert – nach Insterburg, Tilsit, Stallupönen (Grenze) und Darkehmen die vier breiten Hauptstraßen nach Westen, Norden, Osten und Süden ab. An öffentlichen Gebäuden Gebäuden erscheinen die Lutherische Kirche mit Nebengebäude, ebenso die Reformierte Kirche auf diesem Plan recht markant, während das Conferenz-Gebäude, also die Regierung, auf dem großen Marktplatz sich recht bescheiden ausnimmt. Ferner sind besonders klar die charakteristischen rechteckigen Baublöcke, in der Altstadt 14, in der Neustadt 8 an der Zahl, zu sehen. Ohne Namen trennen Straßen diese Baublöcke; es sind also die ältesten Gumbinner Straßenzüge hier schon vermerkt, so in der Altstadt die Lange Reihe und die Brauerei-/Roonstraße, ferner die Post-, die Blumen- und die Wiesenstraße, ebenso angedeutet die Moltkestraße, die später anders geführt wurde; selbst die Gasse zur Carl-Brandt-Brücke ist schon vermerkt.
Die Neustadt (außer der Königstraße alle noch ohne Namen) findet ihre westliche Begrenzung in der Gartenstraße. Von der Königstraße zweigen bereits die Sodeiker Straße und die Brunnenstraße ab, wobei letztere, die Königstraße überschreitend, in der Goldaper Straße ihre Fortsetzung findet. Die südliche Begrenzung ist in den Baublöcken zu sehen, die an der Salzburger Straße lagen. Eine andere Straße quert die Goldaper Straße rechtwinklig bis zum ehemaligen Pissalauf. Man könnte sie der Meiserstraße gleichsetzen, ist aber wohl nur als Plan zu nehmen, da sie sich über die Goldaper Straße nach Süden fortsetzen soll. Die Ostbegrenzung des geplanten Stadtausbaus ist noch unklar, die Meelbeckstraße noch nicht klar gekennzeichnet, da hier der alte Pissalauf vermerkt ist. Dieser ist von der Königstraße ab bis zur Mündung in die begradigte Pissa nicht eingezeichnet. Es wird aber deutlich, dass er mit dem Mühlengraben bzw. neuen Pissalauf drei Inseln umschloss. Die kleinste Insel lag an der Blauen Brücke, etwa im Bereich des Gesellschaftshauses, die zweite zwischen dem alten Lauf an der Meelbeckstraße – Mühlengraben und einem Wasserlauf, der von der alten Pissa in Richtung der späteren Turnhalle floss und gegenüber der Superintendentur in den neuen Pissalauf mündete. Die dritte „Eximirten-Insel“ war die größte zwischen alter und neuer Pissa. Auf ihr entstand die untere Königstraße und parallel mit dem Damm die Straße „Unter den Linden“, später einfach Lindenstraße, dann Hindenburgstraße genannt.
Der Stadtplan 1887
Von älteren Gumbinner Plänen ist erhalten z. Z. eine rohe Skizze aus den Jahren 1875/76, angefertigt (wohl zu privatem Gebrauch) von H. Gebhard, und eine Karte im Maßstab 1 : 6000, gezeichnet von Albert Gelleszun, eine Beilage zum Gumbinner Adreßbuch 1887. Geht man nun der Entwicklung des Stadtgrundrisses weiter nach und vergleicht diese beiden mit dem Betgen-Riß 1733, so stellt man zuerst fest, dass Gumbinnen in diesen rund 150 Jahren nicht erheblich über den Plan aus der Gründungszeit hinaus gewachsen ist. Man hat fast noch das Kartenbild des alten Gumbinnen vor sich, in dem zwar die öffentlichen Gebäude eingezeichnet, aber nicht die bereits erstellten Bürgerhäuser ersichtlich sind. Letztere kann man aber aus dem nicht amtlichen Gebhardt-Plan ergänzen. Interessant sind darin die Straßen mit ihren Namen.
Anstelle der Königstraße im Betgen-Riß führt die wichtigste Gumbinner Hauptstraße den Namen Friedrich-Wilhelm-Straße. Alle anderen Hauptstraßen bezeichnen die Richtungen nach den Städten, zu denen sie führen, also Große Tilsiter Straße, Insterburger Straße, Stallupöner Straße. Der Platz, auf dem die Königl. Regierung steht, ebenso der Straßenzug bis zur Kirche und bis zur Pissabrücke heißt einfach Markt. Die Lange Reihe trägt diesen Namen bereits. Von der Großen Tilsiter Straße zweigen nach beiden Richtungen die Tilsiter Quer-Straße, später Brauerei-/Roonstraße und die Tilsiter Feldstraße, später Schützenstraße ab. Die Moltkestraße existiert noch nicht. Sie heißt Scheunenweg. Dieser wird mit der Stallupöner Straße durch die Altstädtische Lazarettstraße, später einfach Lazarettstraße, verbunden. Die Kirchenstraße ist nicht benannt. Die Poststraße heißt Kleine Tilsiter Straße, und von der Insterburger Straße bis zur Dammstraße, die diesen Namen bis in unsere Zeit beibehielt, I. Wassergasse. Westlich lief ihr parallel die II. Wassergasse, in unserer Zeit auch Wasserstraße genannt. Die Blumenstraße hieß früher Totenstraße. Solche Totenwege führten gewöhnlich zum Friedhof. Der Kirchhof — so sagte man in Ostpreußen, auch wenn die Kirche weit entfernt war — an der Meelbeckstraße ist jüngeren Datums.
Wendet man sich der Neustadt zu, so bestand die Meelbeckstraße von der späteren Blauen Brücke bis zur Schillerstraße, die noch nicht existierte, aus einem Feldweg. Bis zur Goldaper Straße war sie nur projektiert. Außer der Darkehmer oder Friedrich-Wilhelm-Straße hatte die Lindenstraße, anfänglich Unter den Linden, schon einige Bedeutung. Hier, auf der Eximirten-Insel, standen einige Wohnhäuser der höheren Regierungsbeamten. Diese Häuser gehörten zu den ältesten der Stadt und wurden früher von Beamten der Kriegs- und Domänenkammer bewohnt. Die Fortsetzung der Lindenstraße in Richtung Meelbeckstraße hieß Turnhallenstraße. Die hier gelegene Turnhalle ist das „Alte Exerzierhaus“. Ein „Neues Exerzierhaus“ wurde in rotem Backstein später auf dem Sodeiker Platz gebaut, der auch als Exerzierplatz diente. Wenn man im Zuge des alten Pissalaufs das Stück von der Turnhallenstraße, mit der Meelbeckstraße parallel laufend, bis zur Biegung nach Westen (vor der Goldaper Straße in Höhe der Reformierten Kirche) auf dem Gellszun-Plan inmitten von Garten- und Ackerland als Alter Pregel bezeichnet, so konnte man mit diesem Begriff einen Hinweis sehen, dass man das Flussgebiet der Pissa als oberes Pregel-Quellgebiet ansah. In der westlichen Neustadt gab es hinter dem Magazingebäude auch schon die Magazinstraße, ferner die Sodeiker Straße, die Brunnen- und die Hospitalstraße. Letztere setzte sich ostwärts der Darkehmer Straße als Lazarettstraße fort (zum Unterschied von der Altstädtischen Lazarettstraße). Sie wurde später bis zur Bahnhofsstraße in ihrem gesamten Zuge in Salzburger Straße umbenannt. Südlich der Bahnstrecke nach Stallupönen zweigte von der Goldaper Straße die Casernenstraße ab. Dieser hier unvermutete Name geht auf die ehemals dort gelegene Füsilierkaserne zurück.